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ginnen untereinander thematisieren diesen Konflikt nicht weiter, auch mit den Kindern
wird dieser nicht besprochen, obwohl einige Kinder diesen Konflikt beobachtet haben.
Blick auf Kinder: Nach gefeierten Festen beschäftigen sich die Kinder mit ihren
Spielen, Gespräche über die Feste finden nicht statt. Im Advent spielen manche Kinder
mit dem Adventweg, der im Kindergarten aufgestellt ist. Beim Gebet vor dem Essen
falten alle Kinder die Hände und sprechen das aus der katholischen Tradition stam-
mende Tischgebet, ebenso singen alle Kinder bei den aus der katholischen Tradition
entnommenen Liedern mit. Die Kinder, die das angebotene Essen nicht essen sollen,
bekommen ein Butterbrot als Mittagessen. Bei den katholischen Festen werden man-
che Kinder vorher abgeholt, die anderen Kinder thematisieren die Abwesenheit der
Kinder im Kindergartenalltag nicht, ebenso wenig erwähnen die abgeholten Kinder
ihre Abwesenheit bei gewissen Aktivitäten.
3.2.2 Kindergarten in islamischer Trägerschaft
Blick auf Kindergartenalltag: Der vom Leiter intendierte Kindergartenalltag, der von
Religion unbeeinflusst sein soll, wird nicht durchgehend eingehalten, da vor dem
Essen eine Dua613 gebetet wird und Kinder über den Religionsunterricht und die Reli-
gionszugehörigkeit sprechen. Bei den säkularen Festen sind im Kindergarten religiöse
Elemente eingeflochten, so werden beim Sommerfest Suren gesungen und ein Work-
shop im Stationenbetrieb beschäftigt sich mit dem Koran. Der vom Leiter begrifflich
vom Koranunterricht abgegrenzte Religionsunterricht wird von allen anderen am Kin-
dergartengeschehen Beteiligten als Koranunterricht bezeichnet.614
Der Besuch des Koranunterrichts wird teilweise als Disziplinierungsmaßnahme
eingesetzt, indem ausschließlich als brav bezeichnete Kinder mit in den Koranunter-
richt gehen dürfen. Wenn während des Koranunterrichts eines der Kinder als schlimm
empfunden wird, wird es zurück in den Gruppenraum geschickt. Die Koranlehrerin
genießt bei den meisten Kindern aufgrund ihres Wissens Ansehen. Die Kinder besu-
chen den Koranunterricht gerne, sind während des Koranunterrichts aufmerksam und
folgen den Aufforderungen der Lehrerin. Im Koranunterricht werden die arabischen
Schriftzeichen sowie einzelne arabische Worte und Sätze gelernt, der Hauptfokus
liegt auf dem Lernen von Suren, wobei die Lehrerin diese rezitiert und die Kinder sie
nachsprechen.
Blick auf Kinder: Die muslimischen Kinder im Kindergarten in islamischer Trä-
gerschaft thematisieren von sich aus die eigene Religionszugehörigkeit und fragen
nach der Religionszugehörigkeit der Pädagoginnen und der Forscherin. Sie erzählen
ohne vorangegangenen Impuls, dass Muslima ein Kopftuch tragen würden und Nicht-
613 Das arabische Wort duʿāʾ bedeutet in das Deutsche übersetzt „Ruf; Anrufung Gottes;
Gebet; Bitte, Segenswunsch […]; Verwünschung […]“, (Wehr, Hans (1968): Arabisches
Wörterbuch, 255).
614 Im Folgenden wird je nachdem, von wem bestimmte Aussagen getätigt wurden, der
Unterricht als Koran- beziehungsweise Religionsunterricht bezeichnet.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279