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und sich gegebenenfalls kommunikativen Misserfolgen anzupassen.“278 Ebenso wird der
Wortschatz der Kinder ständig erweitert. „Mit Schulbeginn verfügen Kinder schon über
einen aktiven Wortschatz von 2000 bis 3000 Wörtern und einen rezeptiven Wortschatz,
der etwa das Zehnfache des aktiven Wortschatzes beträgt.“279
4.2 Soziale und emotionale Entwicklung der Kinder im Vorschulalter
Mead legte die Verbindung der Vorstellung über das eigene Selbst mit dem Wissen und
dem Verständnis anderer dar. Er betont, dass
„[…] die Reaktionen in unserem sozialen Verhalten gegenüber anderen früher auftreten
als in einem introsubjektiven Selbstbewusstsein. D. h. ein Säugling erregt bewußt die
Aufmerksamkeit anderer, bevor er seine eigene Aufmerksamkeit von sich aus erregt,
und er ist sich der Einwirkungen anderer eher bewußt als der Wirkung seiner selbst auf
sich.“280
Das Kind kann einerseits folgern, dass die anderen so sind, wie es selbst ist, oder
es selbst wie die anderen ist, wobei die letztere Perspektive vermutlich die primäre
ist. Beim Menschen „finden wir über die Organisation des Sozialverhaltens hinaus
[…] eine weitgehende Differenzierung der Anpassungsprozesse von Individuen
aufeinander.“281 Eine wissenschaftliche Psychologie, die Erziehungsvorgänge unter-
suchen möchte, kann dies nach Mead nur dann erfolgreich tun,
„wenn es sich dabei um eine Sozialpsychologie handelt, d. h. wenn sie erkennt, daß die
Vorgänge beim Erwerb von Kenntnissen, bei der Hinwendung von Aufmerksamkeit
und bei der emotionalen Bewertung in ihrer Beziehung zu den Identitäten der Schüler
in einem sozialen Bewußtsein untersucht werden müssen. Was seine Erziehung angeht,
wird ein Kind nicht durch Lernen sozial. Es muß sozial sein, um zu lernen.“282
Im dritten Lebensjahr wird eine Entwicklung in den Erzählungen der Kinder über
andere deutlich und ihre Fragen zu Gefühlen, Wahrnehmungen und deren Befind-
278 Schneider, Wolfgang/Lindenberger, Ulman (2012): Entwicklungspsychologie, 196.
279 Ebd.
280 Mead, George Herbert (1913): Die soziale Identität. In: Joas, Hans (Hg.) (1987): George
H. Mead. Gesammelte Aufsätze, Bd. 1. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 241–249, 243
(ursprünglich erschienen in Journal of Philosophy 10(1913), 374–380).
281 Mead, George Herbert (1918): Psychologie der Strafjustiz. In: Joas, Hans (Hg.) (1987):
George H. Mead, 253–284, 254 (ursprünglich erschienen in: American Journal of Socio-
logy 23 (1917/18), 577–602).
282 Mead, George Herbert (1910): Der Unterricht und seine psychologischen Implikationen
im Hinblick auf einen sozialen Begriff des Bewußtseins. In: Joas, Hans (Hg.) (1987):
George H. Mead, 462–471, 470f. (ursprünglich erschienen in: Science 31 (1910),
688–693).
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279