Seite - 145 - in Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten - Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
Bild der Seite - 145 -
Text der Seite - 145 -
© Waxmann Verlag GmbH. Nur für den privaten Gebrauch. 145
der pädagogisch ausgebildeten Kindergartenassistentin geführt, da in deren pädagogi-
schen Aufgabenbereichen kein Unterschied zu erkennen war.
3.4.1 Kindergarten in katholischer Trägerschaft
Die Gruppendiskussion mit den beiden Pädagoginnen im Kindergarten in katholischer
Trägerschaft fand ohne Unterbrechung nach dem Essen während der Ruhezeit der
Kinder im Zimmer der Leiterin statt. Ein längerer Redeblock einer Pädagogin folgte
einem längeren Redeblock einer anderen Pädagogin.
In den Erzählungen der Pädagoginnen wird die Individualität der Kinder hervor-
gehoben, indem die Verschiedenheit der Kinder thematisiert wird. Jedes Kind bringe
eigene Rituale und Gewohnheiten mit und kenne unterschiedliche Familiensituatio-
nen. Verschiedenheit solle somit als normal angesehen werden und keine Angst davor
vorhanden sein, weil den Kindern ansonsten keine positive Sicht auf Verschiedenheit
vermittelt werden könne. Aufgrund von Angst und Vorurteilen gegenüber anderen
sei oftmals die Bereitschaft nicht vorhanden, über eigene Vorurteile hinauszublicken,
wodurch den anderen eine Böswilligkeit unterstellt werden könne, die nicht der Rea-
lität entspreche.
Die nichtkatholischen Eltern störten sich nicht an der katholischen Trägerschaft
des Kindergartens, sondern seien eher besorgt, dass ihr Kind wegen ihrer Konfession
oder Religion den Kindergarten nicht besuchen dürfe und seien erleichtert, wenn ihre
Befürchtung nicht eintrete. Eine Pädagogin betont die Bedeutung, bei der Anmeldung
die im Kindergarten gegebenen Möglichkeiten und religiösen Angebote, wie etwa das
verfügbare Essensangebot oder den Besuch von Kirchen, genau zu schildern, damit
die Eltern anhand dieser Information entscheiden könnten, ob ihr Kind den Kindergar-
ten besuchen solle. Die andere Pädagogin gibt die Problematik dieses Vorgehens zu
bedenken, da dieses in der Konsequenz zu ausschließlich katholischen und islamischen
Kindergärten führen könne.
Die mit religiöser Differenz verbundenen Herausforderungen im Kindergartenall-
tag werden geschildert. So habe eine Mutter den Wunsch geäußert, ihrem Kind das
Kreuzzeichen zu verbieten, was die betroffene Pädagogin mit Verweis auf die Tra-
dition des „katholischen Kindergartens“622 abgelehnt und ihr verdeutlicht habe, dass
Kinder das Kreuzzeichen nicht machen müssten, aber es ihnen nicht verboten werde.
Die Überlegungen der Mutter, einen anderen Kindergarten für ihr Kind zu suchen,
seien von der Pädagogin unterstützt worden, indem sie auf mehrere islamische Kin-
dergärten in der Umgebung verwiesen habe. Die Mutter habe sich schließlich dagegen
entschieden und das Kind sei im Kindergarten geblieben. Die Pädagoginnen sind sich
einig, dass akzeptiert werden müsse, dass Kinder im Kindergarten das Kreuzzeichen
sehen und auf freiwilliger Basis mitmachen könnten. Eine Pädagogin habe die Exis-
tenz unterschiedlicher Gebetshaltungen zu erklären versucht und den Kindern erlaubt,
622 Expertinneninterview mit Leiterin des Kindergartens in katholischer Trägerschaft, 70.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279