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54 sie auf Gemeinsamkeiten und (noch) nicht so sehr auf Unterschiede schauen. Weder
die Aufmerksamkeit der jüngsten Kinder noch ihre religiöse Bildung scheinen ausrei-
chend entwickelt zu sein, um diesen Aspekt gemeinsam mit den Erwachsenen weiter
zu untersuchen und darüber zu reden.“225
1.2.5 Daniel Bar
Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel
Daniel Bar-Tal226 setzte sich in Studien in Israel mit den Fragen auseinander, wie isra-
elische Kinder das Konzept227 eines „Arabers“ verstehen, auf welcher Basis Kinder
ein solches Konzept formen, welche Bewertung Kinder vornehmen und was der visu-
elle Prototyp eines „Arabers“ in den Gedanken des Kindes ist. Viele der zweieinhalb-
bis dreijährigen Kinder in der Untersuchung von Bar-Tal hatten bereits ein Konzept
eines „Arabers“ entwickelt. In diesem Alter internalisieren Kinder die kategorischen
und symbolischen Prinzipien der Sprache und können kontextunabhängige Worte ler-
nen.228 Kinder beginnen in diesem Alter zu verstehen, dass die „Araber“ eine Gruppe
sind, die von der Gruppe der „Juden“ unterschieden werden kann.229 Sie sind in der
Lage, diese sprachlich mit verschiedenen Merkmalen zu charakterisieren sowie diese
konkret zu zeichnen. Fünf- bis sechsjährige Kinder waren besser in der Lage, einen
„Araber“ auf einem Bild zu erkennen als die Drei- bis Vierjährigen. Nicht alle Kinder
zwischen drei und sechs Jahren hatten ein Wissen über Araber, aber einige derjenigen,
die über diese etwas sagen konnten, beschrieben sie negativ. Aufgrund der negati-
ven Informationen von Eltern und anderen Quellen über „Araber“ sind die negativen
Bewertungen der Kinder nicht erstaunlich. Es wurde deutlich, dass bereits sehr junge
Kinder negative Bewertungen ausdrücken, die zumindest bis zum Alter von sechs,
sieben Jahren zunehmen. Bei drei- bis sechsjährigen Kindern besteht eine positive
Korrelation zwischen negativen Eigenschaftszuschreibungen und der Verweigerung
des sozialen Kontaktes. Israelische Kinder im Alter von vier Jahren assoziierten mit
dem Begriff „Araber“ etwas Negatives, obwohl ein Großteil der Kinder beim Vorle-
gen verschiedener Fotos einen „Araber“ nicht identifizieren konnte. Offenbar erlernen
Kinder – besonders bei sehr negativ geprägten Intergruppenbeziehungen – zunächst
allein auf sprachlicher Ebene Assoziationen zwischen Gruppenbezeichnungen und
negativen Bewertungen herzustellen.
225 Ebd., 101.
226 Bar-Tal, Daniel (1996): Development of social categories and stereotypes in early
childhood: The case of „the Arab“ concept formation, stereotype and attitudes by Jewish
children in Israel. International Journal of Intercultural Relations 20(314), 341–370.
227 Unter Konzepten werden in der Studie mentale Repräsentationen von Klassen oder Wesen
verstanden. Vgl. Bar-Tal, Daniel (1996): Development of social categories. International
Journal of Intercultural Relations 20(314), 341–370, 343.
228 Bar-Tal, Daniel (1996): Development of social categories. International Journal of Inter-
cultural Relations 20(314), 341–370, 360.
229 Ebd., 361.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279