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Hemel bemerkt die geringe fachwissenschaftliche Reflexion des Phänomens Religio-
sität bei gleichzeitiger großer Selbstverständlichkeit der Verwendung des Begriffs im
Alltag.96 Religiosität97 beinhaltet in den meisten Definitionsversuchen
„ein konstitutives subjektives Element des ‚Glaubens‘, der ‚religiösen Erfahrung‘ oder
der ‚Authentizität‘, das im Fall der expliziten Religiosität nur über die (nicht ohne
weiteres mit ‚Wirklichkeit‘ gleich zu setzende) Selbstbeschreibung des Subjekts, im
Fall der impliziten Religiosität kaum überhaupt zugänglich ist.“98
Ulrich Hemel99 unterscheidet fünf Dimensionen der Religiosität.100 Mit der Dimension
der religiösen Sensibilität beschreibt er die „Offenheit, Ansprechbarkeit und Wahrneh-
mungsfähigkeit religiöser Phänomene“, die Dimension des religiösen Ausdrucksver-
haltens „spiegelt die Ausprägung von Handlungskompetenzen im religiösen Bereich,
u. a. die Fähigkeit und Bereitschaft zur Übernahme religiöser Rollen“, die Dimension
religiöser Inhaltlichkeit bezeichnet die „Differenzierung des kognitiven Bereichs“ und
muss nicht mit einem hohen Maß an Sprach- und Dialogfähigkeit, was die Dimension
der religiösen Kommunikation bezeichnet, einhergehen. Die fünfte Dimension der
religiös motivierten Lebensgestaltung beschreibt „die subjektive Relevanz religiöser
Orientierungen für eine Persönlichkeit“. Die letztgenannte Dimension bringt „als ein-
zige die subjektive Binnenrelevanz religiöser Wirklichkeit und die subjektive Inten-
sität religiöser Lebensbezüge“ zum Ausdruck.101 Entfaltete Religiosität beschreibt
Ulrich Hemel durch die Kompetenz,
„sich selbst und die Welt im Licht religiöser Deutungsmuster zu betrachten und diese
Deutungsmuster als für die eigene Person wahr, gültig und handlungsleitend anzuer-
kennen. Religiöse Kompetenz ist, so gesehen, eine spezielle Form der Urteils- und
Handlungskompetenz im Blick auf das eigene Leben. Sie hat einen ganzheitlichen
Anspruch, weil sie sich auf die Orientierung und Sinngebung des eigenen Lebens in
seiner Ganzheit, von Geburt bis zum Tod, von Jugend bis Alter, bezieht.“102
sität. Anthropologische, theologische und sozialwissenschaftliche Klärungen. Stuttgart:
Kohlhammer, 7–15; Rothgangel, Martin (2006): Religiosität als menschliches Gesicht
der Offenbarung Gottes. In: Angel, Hans-Ferdinand u. a.: Religiosität, 175–198.
96 Vgl. Hemel, Ulrich (2001): Religiosität. In: Mette, Norbert/Rickers, Folkert (Hg.): Lexi-
kon der Religionspädagogik, 1839–1844, 1840.
97 Der Begriff Religiosität ist ein diskursiver Begriff, der keinen Tatbestand bezeichnet.
98 Pirner, Manfred L. (2006): Religiosität als Gegenstand empirischer Forschung. In: Angel,
Hans-Ferdinand u. a.: Religiosität, 30–52, 44.
99 In Anlehnung an Glock unterscheidet Ulrich Hemel fünf Dimensionen der Religiosität.
100 Auch Manfred L. Pirner betrachtet das Modell von Hemel als für empirische Forschung
geeignet. Vgl. Pirner, Manfred L. (2006): Religiosität als Gegenstand empirischer For-
schung. In: Angel, Hans-Ferdinand u. a.: Religiosität, 30–52, 47.
101 Hemel, Ulrich (2006): Religionsphilosophie und Philosophie der Religiosität. In: Angel,
Hans-Ferdinand u. a.: Religiosität, 92–115, 102.
102 Ebd., 101.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279