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oder eine Handlung gedanklich vorzustellen.“262 So kann das Kind Symbole gebrau-
chen und mit der Umwelt kompetent interagieren.263
„This symbolic function then brings great flexibility into the field of intelligence. Intel-
ligence up to this point refers to the immediate space which surrounds the child and to
the present perceptual situation; thanks to language, and to the symbolic functions, it
becomes possible to invoke objects which are not present perceptually, to reconstruct
the past, or to make projects, plans for the future, to think of projects not present but
very distant in space – in short, to span spatio-temporal distances much greater than
before.“264
Ein Kind in der Phase des präoperationalen Denkens weist „jedoch eine Reihe sta-
dientypischer Beschränkungen in der Beweglichkeit des Denkens auf und kann den
Regeln der Erwachsenenlogik nicht folgen.“265 Das Denken des Kindes ist nach Pia-
gets Beschreibungen in dieser Phase von Zentrismus und Egozentrismus gekennzeich-
net. Unter Zentrismus versteht er die Konzentration des Kindes auf einen Aspekt der
Situation bei gleichzeitiger Vernachlässigung anderer wichtiger Merkmale. Mit Ego-
zentrismus meint er „das Unvermögen der Kinder, die Ansichten oder Perspektiven
anderer Personen von den eigenen zu unterscheiden.“266 Die Aktionen sind auf den
eigenen Körper zentriert. „The actions are centred on the body. I used to call this ego-
centrismus; but it is better thought of as lack of reversibility of action.“267 Das Kind
sei auf dieser Stufe des Denkens noch unfähig, andere Perspektiven als die eigene
anzunehmen, was sowohl die räumliche Wahrnehmung268 und die Kommunikation
im sozialen Kontext betrifft. Kritisiert werden kann an dieser Sichtweise die Charak-
terisierung dieser Phase durch Defizite und weniger durch Ressourcen des Kindes.
Eine Vielzahl von Studien bestätigt die Annahme, dass Piaget das Wissen und Können
262 Schneider, Wolfgang/Lindenberger, Ulman (72012): Entwicklungspsychologie, 190 (vor-
mals Oerter, Rolf/Montada, Leo (Hg.): Entwicklungspsychologie, Weinheim: Beltz 62008
[1983]).
263 Piaget, Jean (1999): The stages of the intellectual development of the child. In: Slater,
Alan/Muir, Darwin (Hg.): The Blackwell Reader in Developmental Psychology. Malden-
Oxford: Blackwell Publishing, 35–42, 38–40. (From Bulletin of the Menninger Clinic 26
(1962), 120–128).
264 Ebd., 38.
265 Schneider, Wolfgang/Lindenberger, Ulman (2012): Entwicklungspsychologie, 190.
266 Ebd., 191.
267 Piaget, Jean (1962): The stages of the intellectual development of the child. In: Slater, Alan/
Muir, Darwin (Hg.): The Blackwell Reader in Developmental Psychology, 35–42, 39.
268 Der Drei-Berge-Versuch wird diesbezüglich rezipiert. Auf einem Tisch ist ein Modell
von drei nebeneinander liegenden Bergen verschiedener Form und Höhe vorbereitet. Das
Kind wird gefragt, was die Puppe, die auf der anderen Seite des Tisches als das Kind sitzt,
sieht, wobei es für das Kind klar zu sein scheint, dass die Puppe genau das sieht, was es
selbst sieht.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279