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von Vorschulkindern deutlich unterschätzt hat.269 So wurde festgestellt, „dass junge
Kinder zur Perspektivenübernahme fähig waren, wenn das Material vertraut und die
Anweisungen einfach zu verstehen waren.“270 Kinder zeigen bei der Klassifikation
von Objekten durchaus Abstraktionsleistungen und können „korrekte Schlüsse über
nicht sichtbare Merkmale von Objekten ziehen.“271 Auch wenn das „Kategoriensys-
tem junger Kinder noch nicht sonderlich komplex ist, können sie doch schon sehr
früh hierarchisch klassifizieren und dabei logisch denken.“272 So können sich Kinder
dem Elternteil des gleichen Geschlechts zuordnen und die Aktivitäten nach denen des
Partners oder der Partnerin in derselben Kategorie bewerten.
Ab dem Alter von drei Jahren finden sich Belege, „dass Vorschulkinder das Denken
selbst zum Gegenstand ihres Denkens machen können.“273
„Mit ‚Theory of Mind‘ sind alltagspsychologische Konzepte gemeint, die es den Kin-
dern erlauben, sich selbst und anderen mentale Zustände (Wissen, Glauben, Denken,
Fühlen) zuzuschreiben. […] Die Kinder erkennen, dass andere Personen nicht die
gleiche Weltsicht haben müssen und aufgrund von Informationen handeln, die dem
eigenen Kenntnisstand nicht entsprechen.“274
Bei der Maxi-Geschichte275 zeigt sich ein Entwicklungsfortschritt im Altersbereich zwi-
schen drei und fünf Jahren. Vier- bis fünfjährige Kinder wissen, dass eine gewisse Über-
zeugung falsch ist und die Geschichtenfigur diese dennoch haben kann.276 Im Alter zwi-
schen drei und vier Jahren erfolgen die Differenzierung zwischen Aussehen und Realität
und die epistemische Perspektivenübernahme, was das Verständnis beinhaltet, dass ein
Objekt aus verschiedenen Perspektiven unterschiedlich aussehen kann.277 Ab dem Alter
von ungefähr fünf Jahren können Kinder kohärent erzählen. „Kinder zwischen 3 und 5
Jahren verstehen es immer besser, Erwachsenen die eigenen Absichten zu vermitteln,
die Sprachäußerung auf den Zuhörer abzustimmen, Kommunikationsregeln einzuhalten
269 Schneider, Wolfgang/Lindenberger, Ulman (2012): Entwicklungspsychologie, 191.
270 Ebd.
271 Ebd., 192.
272 Ebd.
273 Ebd., 197
274 Ebd.
275 Die Puppe Maxi kommt mit der Mutter zurück und legt mit dieser die Schokolade in den
grünen Schrank. Während Maxi die Szene verlässt, legt die Mutter die Schokolade in
den blauen Schrank. Die Kinder werden gefragt, wo Maxi die Schokolade sucht, wenn er
zurückkommt. Fast alle Dreijährigen sagen, dass er im blauen Schrank suchen wird, die
Vier- bis Fünfjährigen hingegen sagen, dass er nach der Schokolade im grünen Schrank
suchen wird.
276 Ebd., 197.
277 Flavell, John H./Everett, Barbara A./Croft, Karen/Flavell, Eleanor R. (1981): Young
children’s knowledge about visual perception: further evidence for the level 1–level 2
distinction. Developmental Psychology 17(1), 99–103.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279