Seite - 170 - in Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten - Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
Bild der Seite - 170 -
Text der Seite - 170 -
© Waxmann Verlag GmbH. Nur für den privaten Gebrauch.
170
die christlichen Kinder im Kindergarten in katholischer Trägerschaft nach der Feier
des Opferfestes im Kindergarten, dass sie das Fest zu Hause nicht feiern, ihnen ist
aber nicht bekannt, dass einige Kinder im Kindergarten dieses Fest feiern, weil sie
muslimisch sind. Weder die Kinder, die an den religiösen Angeboten nicht teilgenom-
men haben, noch die Kinder, die die Abwesenheit mancher Kinder bemerkt haben,
erwähnen eine Erklärung für die Abwesenheit. In einer Diskussion nennen die Kinder
auf die Frage der Forscherin, welche Menschen keinen Adventskranz besitzen, die
Armen, die Schwarzen und die Alten, weil diese arm seien. Beim Opferfest sind sich
die Kinder im Kindergarten in katholischer Trägerschaft nicht sicher, warum sie Scho-
kolade bekommen hätten, sie meinen entweder wegen des Teilens oder weil sie brav
gewesen seien. Aufgrund des im Kindergarten in katholischer Trägerschaft gefeierten
Opferfestes wissen die Kinder nicht, dass Muslima und Muslime dieses Fest feiern.
Selbstverständlichkeit von und Interesse an religiöser Differenz
Die muslimischen Kinder im Kindergarten in islamischer Trägerschaft thematisieren
religiöse Differenz mit einer Selbstverständlichkeit und sind an unterschiedlichen reli-
giösen Ausdrucksformen interessiert.
Selbstläufige und selbstinitiierte Gespräche über Themen religiöser Differenz
Die muslimischen Kinder im Kindergarten in islamischer Trägerschaft unterhalten sich
ohne vorgegebene Impulse in unterschiedlichen Situationen, wie etwa beim Essen,
beim Zeichnen oder in der Freispielzeit, über Themen ihrer Religion oder religiöser
Differenz, wodurch sich ihr Interesse an religiöser Differenz und deren selbstverständ-
liche Thematisierung zeigt.
Religionszugehörigkeit und religiöse Ausdrucksformen
Die muslimischen Kinder im Kindergarten in islamischer Trägerschaft fragen nach
der Religionszugehörigkeit anderer Kinder, der Pädagoginnen und der Forscherin. Die
Frage, ob die Forscherin Muslima sei, wird im Kindergarten in islamischer Träger-
schaft unvermittelt, mitten im Spielen oder nach dem Besuch der Moschee, gestellt.
Nach dem Besuch der Moschee fragen die Kinder die Forscherin, warum sie in den
Koranunterricht gehe, obwohl sie keine Muslima sei. Mit der Bemerkung eines Kin-
des, dass die Forscherin Tante und nicht Muslima sei, ist die Frage für die Kinder
beantwortet. Sie thematisieren von sich aus, dass sie muslimisch seien. Muslimsein
bedeutet für die Kinder, in den Koranunterricht zu gehen und für manche Kinder ein
Kopftuch zu tragen. Die Kinder erwähnen, dass gewisse Dinge wie Gelatine oder
Alkohol nicht gegessen oder getrunken werden dürften, weil diese ḥarām seien und
sie fragen die christliche Pädagogin, ob sie Schweinefleisch esse. Außerdem erzählen
manche Kinder, dass Discos aufgrund des dort verfügbaren Alkohols, oder Nagellack,
Schminken oder kurze Kleider ḥarām seien, sie lachen über das Foto einer Frau im
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279