Seite - 171 - in Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten - Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
Bild der Seite - 171 -
Text der Seite - 171 -
© Waxmann Verlag GmbH. Nur für den privaten Gebrauch. 171
Bikini in der Heutezeitung,643 da das ḥarām sei, und wenn ein Mädchen einen sehr kur-
zen Rock trägt, weisen die Kinder sie darauf hin, dass sie sich so nicht anziehen dürfe.
Arabisch sprechende Kinder sind stolz darauf, arabisch sprechen zu können und
werden von den anderen Kindern im Kindergarten in islamischer Trägerschaft für ihre
Fähigkeit bewundert.
Feste
Die muslimischen Kinder im Kindergarten in islamischer Trägerschaft thematisieren
von sich aus Feste, die im christlichen Jahreskreis vorkommen, sie wissen Bescheid,
wenn ein christliches Fest stattgefunden hat, und sind neugierig, wie das Fest gefeiert
worden ist. Sie interessieren sich für die Weise des Feierns von nicht islamischen Fes-
ten und verstehen, dass das Fest für Menschen, die nicht muslimisch sind, wichtig sein
könne. Dies wird beispielsweise in einer Situation deutlich, in der ein muslimisches
Mädchen der Forscherin Fragen über Ostern stellt und ihr im Anschluss ein Bild mit
einem Osterhasen malt und ihr dieses mit den Worten „ich weiß, du liebst Ostern“644
schenkt. Die Kinder wissen, dass Muslime Ostern nicht feiern und fragen die Forsche-
rin, ob sie Ostern gefeiert habe. Auf deren bejahende Antwort, fragen sie, ob sie keine
Muslima sei.
1 Fw: Hast du gestern Ostern? Ja oder nein?
2 I: Ja
3 Fw: Bist du keine Muslima?
4 I: Nein.645
Die Kinder stellen einen Zusammenhang zwischen dem Feiern des Osterfestes und der
Religionszugehörigkeit fest. Sie wissen, selbst Ostern nicht gefeiert zu haben, weil sie
Muslime sind.
Abwesenheit vom Koranunterricht
Religiöse Differenz wird für Kinder im Kindergarten in islamischer Trägerschaft
besonders darin erkennbar, dass nicht alle Kinder am Koranunterricht teilnehmen.
Großteils erklären die muslimischen Kinder, ob Kinder muslimisch sind oder nicht,
durch deren Anwesenheit im Koranunterricht. Von der Teilnahme am Koranunterricht
wird auf die Religionszugehörigkeit zum Islam geschlossen. Die Kinder geben die
Nicht-Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen als Grund für die Abwesenheit beim
Koranunterricht an.646
643 Gratiszeitung in Wien.
644 Gruppendiskussion nach Ostern mit Fw, Rw und Ew im Kindergarten in islamischer
Trägerschaft, 43.
645 Gruppendiskussion nach Ostern mit Fw, Rw und Ew im Kindergarten in islamischer
Trägerschaft, 1–4.
646 Vgl. Abschnitt „Wissen über religiöse Differenz“ (Teil V, 4.2.1).
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279