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„Kinder [sind] mit unterschiedlichen religiösen Symbolen, Traditionen und Hand-
lungsformen konfrontiert und haben ein Bedürfnis nach entsprechender Information
bzw. nach Teilhabe. […] Wenn Kinder unterschiedlicher Weltreligionen in der Gruppe
zusammenleben, so haben die Kinder ein Recht darauf, in ihrer jeweiligen Traditions-
zugehörigkeit wahrgenommen zu werden und davon erzählen zu dürfen.“785
Dies ist klar davon abzugrenzen, Kinder zu zwingen, etwas von ihrer Religion zu
erzählen oder sie als Repräsentantinnen und Repräsentanten der jeweiligen Religion
zu verstehen, die ständig über die eigene Religion gefragt werden.
„Many children are excited to share their family religious or spiritual practices and
traditions, and encouraging them can be easy. Others might not be as comfortable.
Many children say they feel burdened or singled out by teachers who ask them many
questions about their religion as a means to inform the group. Being from a Muslim
family, for example, does not necessarily make the child a representative or spokesper-
son for the entire religion.“786
Eine Kultur der Anerkennung im Kindergarten geht mit Strukturen im Kindergarten
einher, innerhalb derer es möglich ist, die eigene Religion und religiöse Ausdrucks-
formen zu thematisieren. In der Beschäftigung mit verschiedenen Religionen und
der Offenheit gegenüber der Thematisierung verschiedener Religionen, darf keiner
Gruppe eine Andersheit zugeschrieben werden.
„Based on theoretically informed reading of our ethnographic data, we suggest that
some students and staff members are Otherised in the interreligious encounters in
schools. We also argue that the conditions of dialogue are different for those who are
constructed as Others. Finally, such Othering that is related to unproblematised notions
about religion and dialogue works against the aims of togetherness and mutual learning
of interreligious dialogue.“787
Die Thematisierung religiöser Differenz darf nicht zu negativer Zuschreibung des
Andersseins und damit Festschreibung einer Identität einer anderen Person führen.
„Gerechtigkeit, so das Credo differenzsensibler Ansätze, kommt nicht zustande, wenn
die Vielheit der Lebenslagen, Vermögen, Bedürfnisse und Identitäten nur mit einem
einzigen Maßstab gemessen werde. […] am Maßstab der Mehrheit beurteilt wird das
‚Anders-Sein‘ der Minderheiten, ihre sprachlichen und kulturellen Lebensformen zu
einem Mangel.“788
785 Habringer-Hagleitner, Silvia (2006): Zusammenleben im Kindergarten, 337.
786 Follari, Lissanna (2015): Valuing Diversity in Early Childhood Education. Boston u. a.:
Pearson Education, 175.
787 Riitaoja, Anna-Leena/Dervin, Fred (2014): Interreligious dialogue in schools: beyond
asymmetry and categorisation? Language and Intercultural Communication 14(1),
76–90, 77.
788 Mecheril, Paul/Plößer, Melanie (2009): Differenz. In: Andresen, Sabine u. a. (Hg.): Hand-
wörterbuch Erziehungswissenschaft, 194–208, 199.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279