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andere als Menschen in ihrem Anderssein wahrzunehmen und sich auf einen Weg der
wechselseitigen Anerkennung zu begeben.“796
Wenn die Religion der Kinder und die sich daraus ergebende religiöse Differenz im
Kindergarten keinen Platz hat, hat – falls ihnen diese wichtig ist – ein Teil von ihnen
keinen Platz.
Zugehörigkeitsmerkmale werden „über soziale Differenzbildung hergestellt“,
weshalb Zugehörigkeiten immer auch auszuhandeln sind.797 Neben den Kriterien der
Zugehörigkeit wird zudem ausgehandelt, „welche Folgen es jeweils hat, wenn jemand
als zugehörig gilt oder als nicht-zugehörig ausgegrenzt wird“, was „unterschiedliche
Handlungsmöglichkeiten und Perspektiven für die Lebensgestaltung“ mit sich bringen
kann.798 Welche Rolle die Frage der Zugehörigkeit spielt, unterscheidet sich je nach-
dem, ob sich eine Person als zugehörig erfährt oder nicht.
„Auch wenn die Auseinandersetzung mit Zugehörigkeiten für alle Menschen von
Relevanz ist, gestaltet sich diese jeweils in ganz unterschiedlicher Weise – je nach
(Zugehörigkeits-)Kontext und je nach gesellschaftlich-sozialer und biographischer
Positionierung. Allerdings gilt: Für diejenigen, deren Zugehörigkeit als selbstver-
ständlich angesehen wird, spielt die Frage der Zugehörigkeit eine andere Rolle als für
diejenigen, deren Zugehörigkeit umstritten ist oder gar abgelehnt wird. So wird das
Thema vor allem für diejenigen relevant, die als Andere kategorisiert und nicht als
zugehörig anerkannt werden.“799
Kindergärten bieten die Chance, safe spaces zu sein, in denen Kinder thematisieren
können, was sie beschäftigt, und sie, unabhängig davon, ob sie sich der größeren
oder der kleineren Gruppe zugehörig fühlen, anerkannt sind. Dies inkludiert, dass die
eigene Religionszugehörigkeit nicht als Mangel erfahren wird, indem diese einzig in
der Nichtteilnahme an bestimmten Angeboten erkennbar wird,800 sondern die Ent-
wicklung von Strukturen im Kindergarten, die es den Kindern ermöglichen, ihre Reli-
gionszugehörigkeit als Ressource zu erleben, die im Kindergarten thematisiert werden
kann und einen Teil zum Zusammenleben im Kindergarten beitragen kann.
796 Gutmann, Hans-Martin/Weiße, Wolfram (2010): Einleitung. In: Weiße, Wolfram/Gut-
mann, Hans-Martin (Hg.): Religiöse Differenz als Chance?, 7–14, 9.
797 Vgl. Riegel, Christine/Geisen, Thomas (2007): Zugehörigkeit(en) im Kontext von Jugend
und Migration – eine Einführung. In: Riegel, Christine/Geisen, Thomas (Hg.): Jugend,
Zugehörigkeit und Migration. Subjektpositionierung im Kontext von Jugendkultur,
Ethnizitäts- und Geschlechterkonstruktionen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissen-
schaften, 7–23, 7.
798 Ebd.
799 Ebd., 8.
800 Vgl. Kapitel „Frage der Zugehörigkeit“ (Teil V, Kapitel 4.2.2).
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279