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als aktiv Mitverhandelnde mit ihren eigenen Positionen (die möglicherweise verän-
derbar sind).“858 Das Erkennen von Situationen, in denen Kinder religiöser Differenz
begegnen, und dies zu thematisieren, sofern es für die Kinder von Relevanz ist, kann
für den Umgang mit religiöser Differenz förderlich sein. So zeigt sich in der vorlie-
genden Studie insbesondere, dass religiöse Differenz beim Essensangebot, bei den
Gebeten, bei den Festen und bei religiösen Angeboten erkennbar wird.
In beiden Kindergärten wird versucht, ein Essensangebot zu finden, das von allen
Kindern im Kindergarten wahrgenommen werden kann. Wenn es organisatorisch
möglich ist, bieten Mahlzeiten im Kindergarten eine Chance, religiöse Differenz in
den unterschiedlichen Essensgewohnheiten der Kinder erkennbar werden zu lassen.
Martin Boltz, Hans Schrumpf und Martin Jäggle erhoben religiöse Implikationen im
Schulalltag in Volksschulen und es zeigte sich, dass die „Berücksichtigung kultureller
(und religiöser) Differenz beim Schulessen […] Indikator für einen angemessenen
Umgang mit Differenz auf der Ebene des Schulmanagements“859 war. Wie bei den
Mahlzeiten mit religiös bedingten Essgewohnheiten umgegangen wird, kann somit ein
wichtiges Indiz für den Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten sein.
In Studien zu Gebeten wurde deutlich, dass Kinder diese mehrheitlich als positive
Aktivitäten bezeichneten.860 „Die 5–7-jährigen besitzen noch keine festumschriebene
Vorstellung davon, was beten heißt. Sie sehen jedoch, dass das Gebet mit Gott zu tun
hat. Weiterhin heben sie besonders die äußerlich wahrnehmbaren Formen und Verhal-
tensweisen hervor: Beten heißt Hände falten, bestimmte Worte gebrauchen usw.“861
Befragungen zum Thema Gebet zeigen,
„dass für Kinder vor der Schulzeit die äußere Gestaltung des Gebets besonders ein-
drücklich und wichtig ist. Das spricht dafür, das Beten mit Kindern in diesem Alter
mit äußerlich wahrnehmbaren Formen oder Ritualen zu verbinden – mit bestimmten
Sprachformen, Körperhaltungen oder Sitzordnungen sowie mit Stilleübungen. Offen-
bar sind dies Erkennungszeichen, die den Kindern selbst entgegenkommen und die
ihnen helfen. Besonders im Kindergarten bieten sich entsprechende Gestaltungsmög-
lichkeiten an.“862
Da Kindern die äußere Gestaltung des Gebets eindrücklich und wichtig ist, bietet sich
an, dies im Kindergarten zu berücksichtigen und religiöse Differenz zuzulassen. Auch
das Angebot von Gebeten verschiedener religiöser Traditionen ist eine Möglichkeit,
den Kindern die Anerkennung ihrer Religion und ihrer religiösen Ausdrucksformen
858 Ebd.
859 Jäggle, Martin (2000): Wie nimmt Schule kulturelle und religiöse Differenz wahr? In:
Porzelt, Burkard/Güth, Ralph (Hg.): Empirische Religionspädagogik, 119–138, 127.
860 Vgl. Moore, Kelsey/Talwar, Victoria/Bosacki, Sandra (2012): Canadian children’s per-
ceptions of spirituality: diverse voices. International Journal of Children’s Spirituality
17(3), 217–234, 220; 225.
861 Schweitzer, Friedrich (2013): Das Recht des Kindes auf Religion, 168.
862 Ebd., 169.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279