Seite - 234 - in Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten - Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
Bild der Seite - 234 -
Text der Seite - 234 -
© Waxmann Verlag GmbH. Nur für den privaten Gebrauch.
234
haft verborgen.928 Bei der Auswertung der Interviews von Lischke-Eisinger assozi-
ieren Erzieherinnen und Erzieher „Pluralität überwiegend mit Schwierigkeiten und
Konflikten […]. So bewertet es ein Teil der Erzieher/innen als positiv, wenn sich der
Kindergartenalltag so gestaltet, dass interreligiöse Fragestellungen ausgespart werden
können.“929
Wird Religion in Organisationen ausgeblendet, bleiben die mit Religion verbun-
denen oder durch diese ausgelösten Konflikte unterschwellig vorhanden. Die soziale
Kompetenz, Themen auszusparen, die möglicherweise Konflikte mit sich bringen,
kann dazu beitragen, dass Konflikte nicht geklärt werden und längere Zeit bestehen
bleiben. So entwickeln Kinder in einem lang anhaltenden Konflikt wie Nordirland
spezielle soziale Kompetenzen, die ihnen erlauben, festzustellen, ob die Menschen,
mit denen sie in Kontakt treten, zu der eigenen Gruppe gehören oder nicht. Wenn dies
auch hilft, Konflikte zu reduzieren, die täglich auftreten, führt dies zu einer Vermei-
dung von Kommunikation zwischen den Gruppen über die Themen, die diese trennen,
und unterstützt somit die Verlängerung des Konflikts.
„In certain circumstances, such as those outlined above, social competence may have
short-term positive consequences but have negative consequences in the long-term. In
particular in Northern Ireland becoming socially competent at ‚telling‘ leads to a reduced
level on conflict in day to day intergroup contact but also reduces intergroup communi-
cation about important divisive issues thus in the long-term prolonging the conflict.“930
Konflikte, die sich aufgrund von Verschiedenheit ergeben können, werden im Kinder-
gartenalltag zu vermeiden versucht, wenn sich die Kinder an eine Norm anzupassen
haben und die Bereiche, in denen sie verschieden sind, nicht thematisiert werden.
„(Religiöse) Pluralität bedeutet nicht Idylle, sondern ist vielleicht nur dort keine
Quelle von Konflikten, wo Religion gänzlich privatisiert, Religionen gesellschaftlich
gleichgültig und letztlich bedeutungslos geworden sind. Auch im Dialog wird nicht
die Harmonie des ‚Einanderverstehen‘ erreicht werden, sondern eher das ‚Einander-
in-der-Fremdheit-Begleiten‘ als fruchtbare Lösung anzusehen sein. Konflikte bergen
auch Chancen in sich. Auch deswegen ist nicht primär ihre Vermeidung anzustreben,
sondern ein angemessener Umgang mit ihnen.“931
Kommunikation über religiöse Differenz kann Herausforderungen mit sich bringen,
was der Tendenz der Harmonisierung zuwiderläuft. Der Umgang mit Konflikten, auch
928 Jäggle, Martin (2000): Wie nimmt Schule kulturelle und religiöse Differenz wahr?. In:
Porzelt, Burkard/Güth, Ralph (Hg.): Empirische Religionspädagogik, 119–138, 137.
929 Lischke-Eisinger, Lisa (2012): Sinn, Werte und Religion in der Elementarpädagogik, 376.
930 Cairns, Ed (2002): „What ever you say, say nothing“: Social Competence and Communi-
cation in Northern Ireland. Researching Early Childhood 4, 75–81, 81.
931 Jäggle, Martin (2007): Religiöse Pluralität in Europa. In: Bock, Irmgard u. a. (Hg.):
Europa als Projekt, 51–67, 56.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279