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der Umgang mit religiösen Konflikten bietet Lernchancen und kann im safe space des
Kindergartens932 gelernt und erprobt werden.
Wird religiöse Erziehung im Kindergarten ausschließlich mit Wertevermittlung
gleichgesetzt, ergibt sich keine Notwendigkeit, religiöse Differenz im Kindergarten
zu thematisieren. Diesem Ansatz entspricht das von Hans Küng entwickelte Projekt
Weltethos (1990), das zu einer Wertevermittlung neigt, die sich von Religionen abgelöst
hat, wodurch Differenz in diesem Modell wenig erkennbar ist933 und der Realität der
Differenz der Religionen und der sich daraus ergebenden Differenz keine besondere
Aufmerksamkeit zukommt. Im Programm des Projekts Weltethos wird „mit großer
öffentlicher Resonanz der Versuch unternommen, […] der vielfach beklagten ethi-
schen Orientierungslosigkeit unserer Zeit durch eine Aktualisierung religiöser Ethik
zu begegnen, indem in ihm das den Religionen Gemeinsame ethischer Überzeugung
zur Sprache gebracht wird.“934 Das Projekt Weltethos935 „sucht das Miteinander und
die Gemeinsamkeit der verschiedenen Religionsgemeinschaften in der ethisch ver-
antworteten Praxis menschlichen Handelns.“936 Es liegen auch für den Kindergarten
Materialien vor, die den Kindern das Anliegen des Projekts Weltethos nahe bringen
sollen.937 Da Religionen sich in einigen Aspekten deutlich voneinander unterscheiden
und Kinder religiöse Differenz in ihrem Umfeld erkennen,938 ist neben der Betonung
der Gemeinsamkeiten allerdings unverzichtbar, die Unterschiede zu thematisieren und
diese anzuerkennen. Den Kindern kann verdeutlicht werden, dass religiöse Differenz
ein Voneinanderlernen ermöglicht und ein friedvolles Zusammenleben möglich ist. So
gibt Barbara Asbrand zu bedenken, dass Gemeinsamkeiten der Kinder, die diese auf
der individuellen und der Beziehungsebene vorfinden, einen Umgang mit Pluralität
auf der Ebene der Religionen und der Religiosität ermöglichen.939
Wird religiöse Erziehung ausschließlich als Aufgabe der Eltern betrachtet und
Religion als eine „Sache der Privatsphäre“940 angesehen, die in der Öffentlichkeit keine
Rolle spielt, entziehen sich die Pädagoginnen und Pädagogen der Mitverantwortung
an religiöser Erziehung und somit einem Bereich des Bildungsauftrags. Religiöse
Erziehung ausschließlich den Eltern zuzuordnen, findet sich auch im quantitativen Teil
der Tübinger Studie „Auf die Eltern kommt es an“, in welcher 58 Prozent der befragten
932 Vgl. Kapitel „Der Kindergarten als safe space“ (Teil VI, 4.1.1).
933 Initiative Weltethos Österreich, http://www.weltethos.org/ [25.11.2014].
934 Rehm, Johannes (2002): Erziehung zum Weltethos. Projekte interreligiösen Lernens in
multikulturellen Kontexten. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 11.
935 Vgl. Initiative Weltethos Österreich, http://www.weltethos.org/ [21.07.2015].
936 Rehm, Johannes (2002): Erziehung zum Weltethos, 17.
937 Vgl. http://www.weltethos.org/uploaded/documents/PM_Fruehe_Bildung_30.05_fin.pdf
[25.11.2014].
938 Vgl. Kapitel „Umgang mit und Thematisierung von religiöser Differenz durch die Kin-
der“ (Teil V, 4.2).
939 Vgl. Asbrand, Barbara (2008): Zusammen leben und lernen im Religionsunterricht, 229f.
940 Mette, Norbert/Steinkamp, Hermann (1983): Sozialwissenschaften und Praktische Theo-
logie, 47.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279