Seite - 153 - in Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten - Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
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christlichen Tischgebeten vor, in Geschichten, die erzählt oder vorgelesen werden und
in Liedern, die mit den Kindern eingeübt und gesungen werden. Besonders christliche
Festzeiten werden intensiv gefeiert, indem die Kinder durch Werkarbeiten und Ein-
studieren von Liedern sowie Gedichten darauf vorbereitet werden und das religiöse
Fest gemeinsam feiern. Der Gruppenraum wird je nach christlicher Festzeit dekoriert.
Während der Adventzeit ist in einer Ecke im Kindergartenraum ein Adventskranz plat-
ziert, ebenso wie ein Weg, den Maria und Josef gehen, eine Kerze und ein Advents-
kalender. Religion spielt bei der Vermittlung von Werten eine große Rolle. Religion
soll den Kindergartenalltag durchziehen. Durch Angliederung des Kindergartens an
eine Pfarrgemeinde kann die Kirche mitgenutzt werden. Die Beziehung zum Priester,
der den Kindergarten manchmal besucht, wird als wichtig erachtet. Auch im Leitbild
des Trägervereins des Kindergartens ist die Bedeutung von Religion im Kindergarten
verankert.632
Religion der Trägerschaft als abgegrenztes, freiwilliges Zusatzangebot
Im Kindergarten in islamischer Trägerschaft soll Religion ausschließlich als freiwil-
lige Zusatzleistung im „Religionsunterricht“633 vorkommen und aus dem restlichen
Alltag ausgeblendet sein. Der Religionsunterricht wird täglich angeboten, dauert etwa
zwanzig bis dreißig Minuten, findet in einem dafür reservierten Raum, zu einer festge-
legten Zeit und mit einer dafür ausgebildeten Kollegin statt, die durch sporadisch statt-
findende Gespräche mit dem Leiter unterstützt wird. Durch das Angebot von Religion
als freiwillige Zusatzleistung im Kindergarten entscheiden die Eltern, ob ihr Kind am
Religionsunterricht teilnehmen soll. Niemand ist verpflichtet, am Religionsunterricht
teilzunehmen. Durch die Verortung von Religion in den Religionsunterricht, soll Reli-
gion vom restlichen Kindergartenalltag klar abgrenzbar sein und in diesem keine Rolle
spielen, was die Arbeit nach den Richtlinien der allgemeinen Pädagogik ermöglichen
soll. Die religiösen Überzeugungen der nicht für Religion zuständigen Pädagogin-
nen, wie beispielsweise das Tragen eines Kopftuches, sollen in deren pädagogischer
Arbeit keine Rolle spielen. Auch bei den Festen wird Religion als Thema weitgehend
vermieden: Es werden gemeinsame Feste gefeiert wie ein Abschluss- oder ein Lich-
terfest, vor den Weihnachtsferien wird beispielsweise ein mit dem Winter in Verbin-
dung stehendes Thema ausgewählt, um auf religiöse Bezüge zu verzichten. So bleiben
Konflikte mit den Eltern erspart, warum Kinder ein christliches oder ein islamisches
Fest mitfeiern müssen. Dies spielt insofern eine Rolle, da die Zufriedenheit aller im
Kindergarten Beteiligten angestrebt wird.
Der Kindergarten will für alle offen sein, was nach außen kommuniziert wird und
mit der Hoffnung verbunden ist, dass dadurch mehr „österreichische Kinder“634 den
Kindergarten besuchen und Kinder unabhängig von ihrem religiösen Hintergrund
in den Kindergarten kommen. Die Mischung aller Kinder soll besseres Verständnis
632 Vgl. Kapitel „Auswahl der Kindergärten“ (Teil IV, 2).
633 Experteninterview mit Leiter des Kindergartens in katholischer Trägerschaft, 6–8; 41f.
634 Ebd., 186.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Titel
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Untertitel
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Autor
- Helena Stockinger
- Verlag
- Waxmann Verlag GmbH
- Ort
- Münster
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Abmessungen
- 16.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 280
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279