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Einleitung
Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten
1 Vorbemerkungen
Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit der gesellschaftlichen Rolle der
katholischen Kirche in Kärnten, insbesondere in der Zeit des sogenannten »Christ-
lichen Ständestaates« von 1933/34 bis 1938. Das südlichste Bundesland Österreichs
wird von Historikern und Historikerinnen immer wieder als »Sonderfall«1 bezeich-
net. Zwar unterscheiden sich die generellen historischen und gesellschaftlichen Ent-
wicklungslinien in Kärnten nicht wesentlich von jenen der anderen Bundesländer,
dennoch gibt es aber in der Stärke ihrer Ausprägungen und im Umgang damit eine
ganze Reihe von Besonderheiten : Dies seien zum einen gesellschaftliche Umstände
(etwa die besondere Akzentuierung der Volksgruppenfrage oder die außerordentlich
hohe Rate an unehelichen Kindern), zum anderen politische Sonderentwicklungen
(die Schwäche des christlich-sozialen Lagers bei gleichzeitiger Stärke der Sozialde-
mokratie sowie des nationalen Lagers, damit zusammenhängend die starke Sympa-
thie für den Nationalsozialismus).2 Ausgehend von dieser Feststellung wird in der
vorliegenden Arbeit zunächst auch die Haltung der Kärntner und Kärntnerinnen zur
katholischen Kirche als Sonderfall identifiziert.
So zeigen empirische Daten, dass Kirchenbindung und Vertrauen in die Insti-
tution Kirche in Kärnten geringer ausgeprägt sind als in anderen österreichischen
Bundesländern – mit Ausnahme Wiens. Eine Auswahl an solchen Daten soll in Ka-
pitel 2.1 dieser Einleitung dargestellt werden. Vielfach zeigen sich in weiterer Folge
Zusammenhänge zwischen den gesellschaftlichen Sonderfällen – etwa in Bezug auf
den Minderheitenkonflikt oder die in Kärnten überaus hohe Anzahl an unehelichen
Kindern – und der Haltung der Menschen in diesem Land zur katholischen Kirche.
Sie sollen in Kapitel 2.2 zunächst kurz umrissen werden, bevor dann, nach einer Er-
läuterung des Begriffsapparates und der theoretischen Vorüberlegungen in Kapitel 3,
der erste Hauptteil »Kirche und Habitusentwicklung in Kärnten« eine systemati-
sche, historisch-soziologische Annäherung an den Sachverhalt leisten soll.
Als besonders interessant erweist sich der Zusammenhang zwischen der Haltung
zur Kirche und den politischen Sonderentwicklungen in Kärnten, die sich in der star-
ken Tendenz für das politisch rechte Lager zeigen und ihren historisch folgenreichen
Niederschlag in der hohen Sympathie der Menschen für den Nationalsozialismus
1 Vgl. Valentin, H.: Der Sonderfall (2005) ; Ogris, A.: Der Sonderfall (2011).
2 Valentin, H.: Der Sonderfall (2005), 15 f.
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353