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165Die
Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938
Von der Bezirkshauptmannschaft bekam das Stadtpfarramt noch keine Verständigung. […]
Die Abfälle sind eine politische Demonstration und hängen auch mit den Verhaftungen
zusammen. Sie erfolgten erst Ende Oktober und waren organisiert.165
Bei der geschilderten Rauferei und den damit zusammenhängenden Verhaftungen
dürfte es sich um die im Kärntner Tagblatt vom 26. Oktober 1933 berichteten Ausei-
nandersetzungen zwischen Nationalsozialisten und demonstrierenden Mitgliedern
der Ostmärkischen Sturmscharen gehandelt haben. Nachdem die Nationalsozialis-
ten einen Bombenanschlag auf ein Sturmscharheim in St. Veit verübt hatten, befahl
die Sturmscharen-Landesleitung 80 Sturmschärler aus Klagenfurt nach St. Veit, um
in einer Protestkundgebung gegen die Ereignisse zu demonstrieren. Im Zuge der
Proteste ist es zu Handgreiflichkeiten zwischen den beteiligten Parteien gekom-
men.166
2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934:
der Exodus aus der Kirche
Eine ernsthafte Zuspitzung der Situation schien in Kärnten die Verlesung des Weih-
nachtshirtenbriefes der Österreichischen Bischöfe, in dem der Dollfuß-Regierung
gehuldigt wird, mit sich zu bringen. Zur besseren Verständlichkeit soll zunächst ein
Blick auf den Stein des Anstoßes geworfen werden.
2.2.2.1 Der Weihnachtshirtenbrief 1933
Der Hirtenbrief vom 21. Dezember 1933 ist eine Lobeshymne der österreichischen
Bischöfe und der Kirche insgesamt auf die Regierung Dollfuß, eine Einschwörung
der österreichischen Katholiken und Katholikinnen auf die Notwendigkeit ihrer
Unterstützung für diese sowie schließlich eine Bekräftigung der bereits im Februar
1932 artikulierten ablehnenden Haltung gegenüber den »religiösen Irrlehren« des
Nationalsozialismus. Zunächst werden mit einem Verweis auf den Katholikentag im
September 1933 die österreichische Identität und Österreichs geschichtliche Bedeu-
tung als Türkenbezwinger beschworen :
165 Fiebiger, F.: Abfallbewegung Dekanat St. Veit (22.11.1933). In einer späteren Zuschrift wird der
St. Veiter Dechant seine Angaben präzisieren : »Nach Information bei der B.H. sind in St. Veit
a. d. Glan Ende Oktober 23 ausgetreten und Anfang Dezember 7, alle aus politischen Gründen (Rau-
ferei mit den Luegerbündlern die Ersteren u. die 7 wegen Verhaftungen). Im ganzen Gebiet der Bez.
Hauptm. St. Veit (Dekanate St. Veit, Gurk, Friesach, Althofen) sind 70 aus politischen Gründen ab-
gefallen seit Verbot der Nazi.« Fiebiger, F.: Abfallbewegung Dekanat St. Veit (o. D. [nach Dezember
1933]).
166 »Große Protestkundgebung in St. Veit a. d. Glan«, in : Kärntner Tagblatt (26.10.1933), 3.
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353