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Kirche und Habitus im kulturellen
Gedächtnis274
So verstörend diese Erzählungen auch sein mögen – die beiden Stellen aus Unterler-
chers Buch gehören zu den wenigen literarischen Erinnerungen an diese Zeit. Auch
sie sind wohl nicht zufällig in jener Zeit veröffentlicht worden, in der das Interesse
an dieser Epoche von den tagespolitischen Geschehnissen beflügelt wurde.
Ähnliches gilt zweifellos auch für den historischen Roman Glaubensstreiter. Er
wurde in den 1930er und frühen 1940er Jahren abgefasst und bietet eine ausführli-
chere Auseinandersetzung mit jener Epoche in Kärnten. Seine Autorin stammt aller-
dings nicht aus Kärnten, sondern aus Augsburg.
2.4.2 Emilie Zennecks Glaubensstreiter (1931/1946)
Der Roman Glaubensstreiter von Emilie Zenneck231 arbeitet die Familiengeschichte
einer St. Veiter Gewerkenfamilie in der Zeit der einsetzenden Gegenreformation
literarisch auf. Die Autorin232 war eine Nachfahrin dieser nach Süddeutschland
ausgewanderten Familie Zenegg233 und lebte in Augsburg. Sie muss aus einem gut-
bürgerlichen und religiös engagierten evangelischen Milieu stammen und war wohl
selbst sehr religiös, wie aus Briefen an einen Vetter in Schweden herauszulesen ist.234
In einem dieser Briefe aus dem Jahr 1932 nimmt sie Bezug auf ihr Buch und auf
die Standhaftigkeit im Glauben ihrer Vorfahren, die sie auch für die Gegenwart
in Deutschland, kurz vor der Machtergreifung Hitlers, als wichtige Tugenden be-
schreibt.
[E]s hat mir viel Freude gemacht die St. Veiter Vorfahren in mir wieder lebendig zu ma-
chen, u. sie den Menschen der Gegenwart hinzustellen als Menschen, die ihrem Ideal die
Treue halten. Der Wert einer Idee – ein Ideal – kann sich im Laufe der Zeiten ändern, aber
231 Zenneck, E.: Glaubensstreiter (1946). Ich danke Peter Tropper für den Hinweis auf dieses Buch.
232 Wikipedia verrät die Lebensdaten der Autorin (1867–1944), die aber nicht korrekt sein können, da
das Vorwort in Glaubensstreiter mit Dezember 1945 datiert und mit dem Namen der Autorin un-
terzeichnet ist. Vgl. »Liste deutschsprachiger Schriftsteller«, in : wikipedia.org [09.01.2019] sowie
Zenneck, E.: Glaubensstreiter (1946), 5.
233 Die Schreibweise des Nachnamens änderte sich im 18. Jahrhundert, nachdem der »Ur-Ur-Großvater
[der Autorin, Anm. d. Verf.] Pfarrer Philipp Jakob Z. in Württemberg, […] aus den zwei ›g‹ das ›ck‹
gemacht hat«. Zenneck, E.: Brief an James de Pauli (02.03.1932). Für einschlägige Informationen zu
den historischen Vorbildern der Protagonisten und Protagonistinnen bin ich Peter Wiesflecker zu
Dank verpflichtet.
234 Aus diesen Briefen geht hervor, dass zwei ihrer Schwestern Leiterinnen eines evangelischen Kinder-
heims in Goisern im Salzkammergut waren, wo sich auch die Autorin öfters aufgehalten hat und wo
sie zumindest das Vorwort des ersten Teils ihres Buches verfasst hat. Eine dritte Schwester lebte in
England und hatte einen Missionar geheiratet. Deren Sohn wurde selbst Pfarrer und Missionar in
Südafrika. Zenneck, E.: Brief an James de Pauli (Karfreitag 1932) ; Zenneck, E.: Brief an James de
Pauli (02.03.1932).
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Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353