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Kirche und Habitus im »Christlichen
Ständestaat«188
gunst gefärbt. »Sie grüßen nicht mehr, weichen aus und man hört allenthalben ge-
hässige Auslassungen.«249
In einem Fall ist wiederum Michael Paulitsch, Leiter des Kärntner Tagblattes, Ziel
persönlicher Angriffe :
Die Familie A. N. […] hat den von der Gendarmerie aus Anlaß des Begräbnisses ihres
jüngsten Sohnes W. im Kärntner Tagblatt aufgenommenen Bericht zum Vorwand genom-
men, um gegen den Hauptschriftleiter Msg. Paulitsch lästerlich zu schimpfen und um die-
ser Sprache Nachdruck zu verleihen [und] über Beschluß des Familienvaters [H. i. O.] den
Austritt aus der katholischen Kirche erklärt ; […].250
Der Hintergrund dieses Konfliktes ist ein Artikel im Kärntner Tagblatt, der von den
»Vorgänge[n] beim Leichenbegängnis des Realschülers [W.] N. in St. Stephan« bei
Dürnstein berichtete und dabei ausführte, dass der Grabredner eine nationalsozi-
alistische »Hetzrede« gehalten habe und zwei Lehrer im Hitlergruß »das Horst-
Wessel-Lied zu brüllen wagten.«251
2.4.1.1 Streitbare Priesterpersönlichkeiten
Während hier der Konflikt zwischen Kirche und Bevölkerung über ein publizisti-
sches Organ ausgetragen wurde, lassen manche Berichte den Rückschluss zu, dass
vielfach die Person des Pfarrers dafür ausschlaggebend war, ob die Auseinanderset-
zungen auf einer emotional-persönlichen Ebene geführt wurden oder ob der politi-
sche Gegensatz auf einer »sachlichen« Ebene blieb. So berichteten einerseits einige
Pfarrer, dass »[d]ie meisten […] sehr freundlich auch dem Gefertigten gegenüber
[sind] u. jeder gibt auf die Frage, was ich ihm denn Böses getan, die Antwort, ach
nicht das Geringste, wegen Ihnen tritt kein Mensch aus.«252 Auch in Grades sind »die
Apostaten […] noch heute dem Pfarrer gegenüber nicht gehässig, sondern alle noch
sogar freundlich.«253 In St. Donat zeigte sich, dass »die Gruppe [des Nazi-Agitators
V. P., Anm. d. Verf.] sogar an der Fronleichnamsprozession korporativ, wenn auch
ohne Uniform teilnahm, [deswegen] hatte der Unterfertigte bisher keinen Grund
einzuschreiten.«254
249 Prosèn, A.: Apostasienausweis Pfarre Feistritz a.d. Drau (16.02.1936).
250 Joham, F.: Apostasie Familie N. (29.01.1934).
251 »Nachrichten aus Kärnten«, in : Kärntner Tagblatt (07.09.1933), 9.
252 Neuwirther, F.: Apostasie-Ausweis über das Jahr 1935, Stadtpfarramt Friesach (o. D. [Frühjahr 1936]).
253 Leitner, J.: Apostasien Pfarre Grades (14.02.1936).
254 Istel, A.: Abfallsbewegung Pfarre St. Donat (19.08.1933).
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Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353