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Kirche und Habitus im kulturellen
Gedächtnis260
entgegen in der Erbauung ihrer Leser und Leserinnen, »dass sie zur Klarheit kom-
men oder dass ihnen irgendwie das Herz aufgeht, das steinerne.«159
Die Kärntner Schriftstellerin erhielt zeit ihres Lebens mehrere Preise. Schon
in den 1930er Jahren waren dies der Adalbert-Stifter-Preis des Landes Oberöster-
reich (1930) und der Preis des Ebner-Eschenbach-Fonds (1933). Nach dem Krieg
wurde ihr der Handel-Mazzetti-Preis (1955) zuteil und 1975 erhielt sie – als erste
Frau160 – den Kulturpreis des Landes Kärnten. Zum 95. Geburtstag der Schriftstel-
lerin wurde Hemma von Gurk vom Verlag Carinthia neu aufgelegt. In der Kärntner
Kirche hielt man ihr Andenken im Jahre 2004, zwei Jahre nach ihrem Tod, aufrecht
und veranstaltete zum 100. Geburtstag der Schriftstellerin ein Festsymposion zu
ihren Ehren.161
2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens
Als dritte Erinnerungstradition sollen die als »Türkenkriege« bezeichneten Einfälle
osmanischer Streifscharen gegen Ende des 15. Jahrhunderts beleuchtet werden. Sie
sind im Kärntner Erzählgut ebenso präsent wie im Liedgut162 und der bildenden
Kunst (vgl. Abb. 10 und 11), zahlreiche gotische Wehrkirchen erinnern darüber hi-
naus an den Umstand, dass die von den adeligen und geistlichen Eliten wehrlos im
Stich gelassene Landbevölkerung Schutz hinter den dicken Mauern der befestigten
Gotteshäuser gesucht hat. Eine der vielen Türkensagen aus den schon genannten
Sagen aus Kärnten von Georg Graber beginnt bspw. mit folgender Einleitung :
Als im Jahre 1478 die Türken durch das Gurktal herab brannten und mordeten, als Al-
tenmarkt, Weitensfeld und Gurk bereits in Asche lagen, die Bürger von Straßburg sich
hinter ihren Stadtmauern, der Bischof mit seinen Mannen im festen Schlosse verschanzten,
versammelten sich die verlassenen und preisgegebenen Untertanen in den Kirchen ihrer
Dorfpfarren.163
Auch in dieser Erinnerungstradition begegnen wir gedächtnispolitischen Überfor-
mungen und Mythenbildungen.164 Den historischen Hintergrund stellt die Erobe-
rung Konstantinopels durch das Osmanische Reich 1453 dar, aus der sich in Europa
eine neue geopolitische Situation ergeben hatte. Die militärische Expansionspolitik
159 Dolores Viesèr, zit. in Welzig, E.: Leben und überleben (2006), 265.
160 Müller, W.: Dolores Viesèr (2010), 618.
161 Baur, U./Gradwohl-Schlacher, K.: Literatur (2011), 285.
162 Schmidauer, G.: Lobisser. Vergessen (2016), 64.
163 Graber, G. (Hg.) : Sagen aus Kärnten (1941), 301.
164 Vgl. dazu auch Schlegl, I.: ›Türkenbilder‹ (2013).
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Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353