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Kirche und Habitus im »Christlichen
Ständestaat«162
mee (Kapitel 3) soll die wesentlichen Einsichten rekapitulieren und einen gerafften
Überblick über die Fülle des vorgestellten Quellenmaterials verschaffen. Schließ-
lich sollen sowohl der zeitgeschichtliche (Kapitel 3.1) als auch der mentalitätsge-
schichtliche Ertrag (Kapitel 3.2) des Archivmaterials bewertet und in Überleitung
zum dritten Hauptteil in den größeren Kontext dieser Studie eingeordnet werden
(Kapitel 3.3).
2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938
Im zeitlichen Verlauf betrachtet lassen sich die Antwortschreiben aus den Pfarren
in vier Abschnitte teilen. Für einen ersten Abschnitt wurden 50 Berichte, darunter
auch einige beschwichtigende »Fehlmeldungen«, analysiert. Er reicht vom Erge-
hen des Geheimerlasses am 10. Juli 1933 bis zum Jahresende 1933. Hier kam es
infolge der Verlesung des Hirtenbriefes der Österreichischen Bischöfe im Dezem-
ber und der darauf gehaltenen und in den Pfarren verlesenen Silvesterpredigt des
Bischofs Hefter zu tumultartigen antikirchlichen Ausschreitungen. Sie klingen in
den Schreiben der Kleriker stärker nach als die Februarunruhen 1934, die in Kärn-
ten wie bereits erwähnt aufgrund der eigentümlichen Rolle der Kärntner Sozialde-
mokratie wenig Widerhall fanden.154 Demgegenüber waren der Putschversuch der
Nationalsozialisten am 25. Juli 1934 bzw. dessen Niederschlagung, die in Kärnten
noch bis zum 30. Juli dauerte,155 weitaus bedeutsamer für das politische Klima und
die Kirchenaustrittsbereitschaft in der Diözese Gurk. In der kurzen Phase von den
Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934 wurden die Zuschriften zur Ab-
fallsbewegung deutlich umfangreicher und detaillierter ; für diese Phase wurden 34
Briefe ausgewertet. Die dritte Phase reicht vom Juliputsch 1934 bis zum 12. Februar
1936. An diesem Tag erging ein erneutes Urgenzschreiben des Ordinariates an die
Kärntner Pfarren,156 außerdem erfolgte am selben Tag eine Anfrage zu den Aposta-
siefällen für das Jahr 1935 an die übrigen Diözesen, von denen die Antworten aus
den Ordinariaten Salzburgs, Seckaus, St. Pöltens und Linz sowie aus der apostoli-
schen Administratur Feldkirch erhalten sind. Für diesen dritten Zeitraum wurden 45
Antwortschreiben ausgewertet. Die vierte Phase beinhaltet hauptsächlich Antworten
auf das genannte Urgenzschreiben. Der letzte berücksichtigte Bericht vor dem »An-
schluss« Österreichs an Nazi-Deutschland datiert mit 11. November 1937. Für diese
vierte Phase wurden 47 Dokumente ausgewertet.
154 Rumpler, H.: Vorwort (1989), 8 ; Valentin, H.: Kärnten (2011), 46.
155 Klösch, C.: Vasallen (2007), 126 f.
156 Vgl. Kapitel 2.2.4.
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Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353