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Kirche und Habitusentwicklung in
Kärnten84
Adeligen. Wichtiges Strukturelement war das Schulwesen, in dem die Klagenfurter
Landschaftsschule Collegium sapientiae et pietatis herausragende, weil überregionale
Bedeutung gewann und als Vorläuferorganisation der heutigen Universität Klagen-
furt gesehen werden muss. Das Collegium war eine wichtige Institution für die Etab-
lierung eines protestantischen Kunst- und Kulturwesens in Kärnten, eng in Verbin-
dung mit dem entstandenen Geschichts- und Landesbewusstsein. »Klagenfurt war
ein protestantisches Bollwerk«122.
Ein protestantischer Bericht über die Lage des Protestantismus in Innerösterreich,
der 1582 am Reichstag in Augsburg vorgetragen wurde, schildert die Situation der
Protestanten in Kärnten am weitaus »glücklichsten« im Vergleich zu den anderen in-
nerösterreichischen Ländern ; das Land war dem Bericht zufolge beinahe vollständig
evangelisch. Auch andere zeitgenössische Schilderungen bestätigen diese Wahrneh-
mung. Bis 1600 blieb der Protestantismus in Kärnten dominant.123
2.3 Die Rekatholisierung in Kärnten
Mit der Rekatholisierung Kärntens setzt nun jene über eineinhalb Jahrhunderte dau-
ernde Phase ein, in der staatliche bzw. grundherrliche Sozialdisziplinierungsimpulse
durch den konfessionellen Zwang verschärft wurden und die Kirche als Diszipli-
nierungsorgan des Staates Zugriff auf das Glaubens- und Intimleben der Menschen
zu erlangen versuchte. Diese Erfahrung zog sich über mehrere Generationen und
konnte sich somit nachhaltig einprägen. Der Hintergrund des vergleichsweise gro-
ßen Widerstands der Bevölkerung, auf den die Rekatholisierungsmaßnahmen in
Kärnten trafen, muss zunächst in der Ausformung des starken Landesbewusstseins,
das sich von den Ständen ausgehend langsam auf weite Bevölkerungsteile ausbreiten
konnte, gesehen werden. Vor allem im Bauernstand war man es überdies gewohnt,
Bedrängungen von »außen«, wie man es in den Osmanen- und Ungarnzügen erlebt
hatte, selbstorganisiert entgegenzutreten.
Ebendiese Bedrohung durch das Osmanische Reich und damit die Abhängigkeit
der Zentralmacht von den finanziellen Zusagen der Stände spielte dem protestan-
tischen Adel in ganz Innerösterreich in die Karten, weshalb hier der Beginn der
»Gegenreformation«124 vergleichsweise spät einsetzte. Dadurch wurde eine weitere
122 Leeb, R.: Die Reformation (2011), 101 f. Landesweit und langfristig betrachtet darf der Bildungsim-
puls der Reformation für Kärnten allerdings nicht überbewertet werden. Studenten gingen zum Stu-
dium nach wie vor eher nach Wien oder an die großen deutschen Universitäten. »Die Reformation
hingegen brachte für die höhere Bildung in Kärnten keinen Bildungsschub, sondern im Gegenteil
sogar – gemessen am Rückgang der Studenten aus Kärnten – eine Verflachung.« Zeloth, T.: Gesell-
schaft Kärntens (2011), 27.
123 Leeb, R.: Die Reformation (2011), 103 f.
124 Für eine eingehende Diskussion der Begrifflichkeiten »Gegenreformation« und »katholische Re-
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Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353