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63Missionierung
und Christianisierung
im Interesse des lehensgebenden Königs, die Machtbalancen der einzelnen Grund-
besitzenden untereinander im Gleichgewicht zu behalten. Das galt selbstverständ-
lich auch für kirchliche Grundbesitzer. So erhielten auch das Bistum Freising sowie
das Bistum Brixen umfangreiche Ländereien in Unter-, Mittel- und Oberkärnten.24
Zwar nicht mehr im Kontext der Mission, aber in jenem des Ausbaus der organisato-
rischen Durchdringung Kärntens durch die Kirche sind die Besitzungen des Bistums
Bamberg unter anderem im Großraum Villach und in Wolfsberg zu nennen.25
1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter
Diese »für Kärnten in auffälliger Zahl feststellbaren Schenkungen von Königsgut
an weltliche und geistliche Große«26 kennzeichnet eine frühe Weichenstellung für
die Entwicklung Kärntens als Sonderfall und damit für die vorliegende Fragestel-
lung. Sie führte zu jener starken Zersplitterung des Landes, die in weiterer Folge die
Macht des Zentralherren schwächte und den territorialen Landesbildungsprozess
sehr lange blockierte.
Demgegenüber besteht eine weitere historische Sonderstellung Kärntens in der
Tatsache, die älteste politische Einheit unter den heutigen österreichischen Bundes-
ländern zu sein. Als der bayrische Herzog Heinrich II. (der Zänker) gegen seinen
Vetter, Kaiser Otto II. rebellierte, setzte dieser Heinrich kurzerhand ab, trennte
Karan tanien von Bayern und richtete es 976 als »Herzogtum Kärnten« ein.27 Dessen
Marken umfassten die heutige Steiermark und banden die Marken Krain, die Mark
Verona sowie die Marken Friaul und Istrien mit ein.28 Der König versuchte es zu ver-
meiden, dass die Herzöge das dynastische Prinzip etablieren konnten und bestellte
Vertraute aus unterschiedlichen Adelshäusern, die zugleich kaum Besitzungen hatten.
Die stammfremden, auswärtigen Herzöge wechselten in rascher Reihenfolge – zwölf
Mal in den ersten hundert Jahren –, kaum einer davon hat je Kärntner Boden be-
treten.29 Die territorialen Desintegrationsschübe durch die Königsgutvergabe wur-
den somit durch die schwache Stellung des Kärntner Herzogs im Hochmittelalter
verstärkt. Schon bald begannen die Marken sich vom Kerngebiet loszulösen und
verselbständigten sich binnen eines Jahrhunderts. In der unübersichtlichen Situa-
tion des 10. und 11. Jahrhunderts, in der den Herzögen also kaum machtpolitische
dert bestehen. Tropper, C.: Von den Anfängen (2002), 27 f.; Tropper, P. G.: Missionsgebiet (1996),
21 f.; Fräss-Ehrfeld, C.: Das Mittelalter (1984), 70.
24 Ogris, A.: Die Kirchen (2000) ; Tropper, C.: Von den Anfängen (2002), 29–31.
25 Tropper, P. G.: Missionsgebiet (1996), 40.
26 Ogris, A.: Die Kirchen (2000), 139.
27 Vgl. Ogris, A.: Die Anfänge (2011).
28 Fräss-Ehrfeld, C.: Das Mittelalter (1984), 104–106 ; Ogris, A.: 976 : Karantanien (2011), 13.
29 Neumann, W.: Kärnten – Grundlinien (1985), 28 ; Ogris, A.: Die Anfänge (2011), 17.
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353