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151Die
Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938
Bundeskanzler Ignaz Seipel unterhielt,122 gründete er 1931 die »Neue Gesellschaft«,
jene »Klagenfurter Soziologenrunde«, die als Teilverein der »Leo-Gesellschaft«
bedeutende Impulse für die ständestaatliche Idee entwickeln und diskutieren sollte.
Auch bedeutende Politiker wie der spätere Landeshauptmann Arnold Sucher oder
der Landtagsabgeordnete und Landesführer der »Ostmärkischen Sturmscharen«,
Ignaz Tschurtschenthaler, waren Teil dieser Runde. Als Ergebnis der intensiven wis-
senschaftlichen Diskussionen um den Ständestaat entstand 1932 Bugelnigs Schrift
Die neue Gesellschaft sowie 1935 Der Ständestaat, dessen Voraussetzungen und Auswir-
kungen.123
Im Interesse dieser Arbeit stehen aber nicht so sehr die gut dokumentierte Hal-
tung der offiziellen Vertreter der Kärntner Kirche zu den politischen Entwicklun-
gen, sondern der Blick »hinter die Kulissen«, oder besser gesagt, in die Pfarren und
in die alltägliche Beziehung zwischen Pfarrer und Pfarrbevölkerung, wie sie sich
im Kontext einer als erneute Gegenreformation wahrgenommenen politischen Ent-
wicklung beobachten lässt. Diese wird deutlich an den Hintergrundberichten der
Kärntner Seelsorger zur Kirchenaustrittsbewegung zwischen 1933 und 1938, wie sie
vom Gurker Ordinariat in einem Geheimerlass im Juli 1933 gefordert wurden. Viele
dieser Berichte geben Aufschluss über die Wahrnehmung der katholischen Kirche in
Kärnten in dieser Zeit.
2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938
2.1 Hinführung
Mit der Etablierung des Ständestaates stieg die Zahl der Kirchenaustritte in Kärnten.
Während die politischen Auseinandersetzungen im Laufe der Ersten Republik vor
allem in den Jahren 1927 (826) und 1928 (715) diesbezügliche Spitzenwerte her-
vorbrachten, stieg die Zahl von 1932 (345) bis 1934 (1.033) um das Dreifache, von
1933 (517) bis 1934 um das Doppelte an, um in den darauffolgenden drei Jahren nur
langsam zurückzugehen (vgl. Abb. 5), bevor im Jahre 1938 infolge der nationalso-
zialistischen Machtergreifung 4.814 Personen der katholischen Kirche den Rücken
kehrten (vgl. Abb. 6).
122 Till, J.: Prälat, Pädagoge und Politiker (2003), 14 f.; vgl. auch die als Monographie erschienene Bio-
graphie Till, J.: Rudolf Blüml (2017).
123 Bugelnig, P.: Der Ständestaat (1935) ; Drobesch, W.: Priester (2015), 138–141.
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353