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169Die
Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938
u. das erstemal hier eine Putzschaar [sic !] in Aktion treten musste, beschloss man einen
Massenaustritt.177
Die aufgeheizte Stimmung drohte zu eskalieren. Dabei hatte das Ordinariat schon
wenige Tage nach der Verlesung des Hirtenbriefes, am 5. Jänner 1934, erneut die
Initiative ergriffen und die Anweisung ausgegeben, die Silvesterpredigt von Bischof
Hefter ebenfalls in allen Pfarren zu verlesen. Man erwartete sich offenbar eine Be-
ruhigung der Situation.
Die Silvesterpredigt unseres Hochwürdigsten Herrn Fürstbischof nimmt Stellung zu der
gegen den Hirtenbrief des österr. Episkopates entstandenen Aufregung, die zu einer Ab-
fallsbewegung benützt zu werden droht. Der Hirtenbrief soll daher am nächsten Sonntag
zur Verlesung kommen, um die Gemüter soweit als möglich zu beruhigen. Bei Verlesung
der Silvesterpredigt des Hochwürdigsten Oberhirten soll den Gläubigen ausdrücklich
gesagt werden, dass ihnen allen der Hochwürdigste Oberhirte ein glückliches neues Jahr
wünschen lässt.
In slovenischen Pfarren soll die Silvesterpredigt wenigstens auszugsweise den Gläubi-
gen mitgeteilt werden ; dabei können Stellen, die das slovenische Volk gar nicht betreffen,
ausgelassen werden.178
2.2.2.2 Die Silvesterpredigt von Bischof Hefter 1933/34
In seiner Predigt versuchte Hefter, die polarisierenden Stellen im Hirtenbrief zu
beschwichtigen und zur Ruhe zu mahnen.
Da und dort soll Aufregung über diesen Hirtenbrief herrschen. Nun will ich an dieser
Stelle, aber nicht in Aufregung, sondern in aller Ruhe, etwas zum Verständnis des Hirten-
briefes sagen. Er geht aus von der Tatsache, daß die an der Spitze des Staates stehenden
Männer beim Wiener Katholikentag sich offen als Katholiken bekannt und erklärt haben,
daß es ihr Ziel sei, einen Ständestaat nach christlichen Grundsätzen zu schaffen. Über
dieses Bekenntnis und dieses Ziel war der heilige Vater sehr erfreut und mit ihm waren es
die Bischöfe. Das brachten sie auch im Hirtenschreiben zum Ausdruck. Dann werden im
Hirtenbriefe die Grundsätze über das Verhalten der Katholiken gegenüber der staatlichen
177 Oberguggenberger, L.: Abfallsbewegung Pfarre Lavamünd (10.01.1934). Laut Verordnung vom
1. September 1933 konnten Personen, die der verbotenen politischen Betätigung verdächtig waren,
zu Putzscharen herangezogen werden, die meist Schmieraktionen der Nationalsozialisten zu beseiti-
gen hatten.
178 Fb. Gurker Ordinariat : Verlesung der Silvesterpredigt 1933 (05.01.1934).
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353