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Kirche und Habitusentwicklung in
Kärnten104
waren das Villach, Klagenfurt und Völkermarkt – und Steuern direkt bei den Unter-
tanen eintreiben konnten.221
Die Kärntner Stände waren über ihre Entmachtung naturgemäß empört und ha-
ben in umfassenden Stellungnahmen und Beschwerden ihre Rechte, wiederum mit
Berufung auf die Landesgeschichte und das damit verbundene Gewohnheitsrecht, zu
verteidigen versucht. Letztendlich war aber entsprechend den gesamteuropäischen
Entwicklungen das Projekt des absolutistischen Staates auch in Kärnten an seinen
Höhepunkt gelangt.222
3.1 Die Kärntner Kirche im Reformabsolutismus
Die Zeit des Reformabsolutismus brachte für die Kirche in Kärnten gravierende
Änderungen mit sich. Das betrifft zunächst einen Vereinheitlichungsschub in der
Administration, womit sich auch die kirchlichen Verwaltungsstrukturen dem terri-
torialen Schließungsprozess auf staatlicher Ebene anglichen. Die territoriale Zer-
splitterung auf kirchlicher Ebene wurde nach und nach zu einem einheitlichen, mit
den Landesgrenzen übereinstimmenden Diözesangebiet übergeleitet. Das betraf zu-
nächst das Patriarchat Aquileia, das 1751 aufgehoben und in weiterer Folge in das
Erzbistum Görz (gegründet 1752) und das Bistum Udine (gegründet 1753) aufgeteilt
wurde.223 Die josephinische Pfarr- und Diözesanregulierung führte in weiterer Folge
zu einer übersichtlicheren kirchlichen Verwaltungsstruktur in Kärnten.224 Mit der
Aufhebung des Jesuitenordens und dem Verzicht der (Erz-)Bischöfe von Salzburg,
Görz und Laibach auf ihre Kärntner Diözesanrechte wurde nun das Diözesangebiet
Gurks erheblich erweitert und bis auf die Gebiete der Diözese Lavant im Lavant-
tal und im Völkermarkter Raum mit den Landesgrenzen weitgehend vereinheitlicht.
1787 übersiedelten Bischof und Konsistorium nach Klagenfurt.225
Für den aufgeklärt-absolutistischen Staat sollte der Bischof ein Beamter sein, der
für die Umsetzung der staatlichen Interessen Sorge tragen müsse. Auch wenn die
geistig-seelsorgliche Dimension dabei nicht interessierte, galten die Bischöfe auf
221 Ebd., 35–40 und 44–49.
222 Ebd., 49 f. Zu den maria-theresianischen Verwaltungsreformen Tropper, P. G.: Staatliche Kirchenpo-
litik (1989), 18–23.
223 Ebd., 34 f.
224 Joseph II. ließ im Zuge seiner Regulierungen kirchlicher Strukturen die alten Benediktinerklöster
Ossiach, Arnoldstein und St. Paul sowie das Zisterzienserstift Viktring und das Prämonstratenserstift
Griffen aufheben und deren Besitzungen in den staatlichen Religionsfond überführen. An ihrer Stelle
wurde das Pfarrnetz um eine beträchtliche Zahl an Seelsorgestellen und als Lokalkaplaneien und Ku-
ratien bezeichnete Untereinheiten verdichtet. Tropper, P. G.: Missionsgebiet (1996), 258 und 265 f.
225 Vorübergehend siedelte man in das Stadtpalais des Abtes des aufgehobenen Viktringer Stiftes, dann
in das jetzige Bischöfliche Palais in der Mariannengasse. Ebd., 258.
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Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353