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Kirche und Habitus im »Christlichen
Ständestaat«176
keit‹ übernommen«. […] Es ist für die ganze durchsichtige Machenschaft, die jetzt von
einer gewissen Presse aufgeführt wird, bezeichnend, daß der Erlaß so gebracht wird, als
wäre er vom Fürstbischof erlassen worden, und zwar in den letzten Tagen.197
Es handle sich offenbar um koordinierte Unruhestiftung in einer ohnehin angespann-
ten Lage. Das würde auch
die Tatsache beweisen, daß zur selben Zeit, als die genannten Zeitungen von diesem Gehei-
merlaß berichteten, dieselben Stellen im deutschen Rundfunk verlesen wurden. Es ist nicht
unsere Sache, zu untersuchen, wie der Geheimerlaß in die Öffentlichkeit kommen konnte,
aber für eine absichtlich und planmäßig durchgeführte Quertreiberei, mit dem Ziel, mög-
lichst viel Verwirrung zu stiften, ist die Art zu bezeichnen, wie eine gewisse Presse diesen
Erlaß jetzt mißbraucht.198
Offenbar hat das kirchliche Vorgehen rund um die Verlesung des Hirtenbriefes in
Kärnten größere Erregung nach sich gezogen als die Auseinandersetzungen am 12.
Februar 1934.
2.2.2.4 Die Februarrevolte 1934
Während es in Wien, der Steiermark sowie in Nieder- und Oberösterreich zu hef-
tigen Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Sozialdemokraten gekommen war,
verhinderten die »Stillhalteparolen« führender Kärntner Sozialdemokraten (Zeinit-
zer, Pichler-Mandorf) ein Übergreifen der Auseinandersetzungen nach Kärnten.199
Dennoch haben aber auch in Kärnten die Februarunruhen und das daraus resultie-
rende Verbot der Sozialdemokratischen Partei die Beziehung des Klerus vor allem
zur Arbeiterschaft verschlechtert :
Die Februarrevolte in Wien haben [sic !] sich in seelsorglicher Beziehung besonders unter
der Arbeiterschaft schlecht ausgewirkt. Das hat sich gezeigt zur Zeit der Osterbeicht[e],
wo mehr als hundert Arbeiter samt ihren Frauen vom Tische des Herrn ferngeblieben sind.
Die politischen Ereignisse haben gar manche mit Abneigung gegen Kirche und Glauben
erfüllt, woran natürlich die Kirche keine Schuld trägt. Vielleicht kommen manche wieder
zur Besonnenheit und Einsicht, dass sie der Kirche damit Unrecht tun.200
197 Ebd.
198 Ebd.
199 Valentin, H.: Kärnten (2011), 46 ; Rumpler, H.: Vorwort (1989), 8.
200 Ruprecht, V.: Abfallsbewegung Pfarren Suetschach und Bärental (03.04.1934).
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353