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Die Kirche und die »Kärntner Seele« - Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
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Einleitung52 Wie dieses Beispiel bereits anzudeuten vermag, verfügen Künstler und Künst- lerinnen in der Regel über ein ausgeprägtes Sensorium für soziale Vorgänge und Mechanismen. Neben bildlichen Darstellungen können besonders literarische Texte mit dichterischer Freiheit, dramatischer Wortgewalt oder subtiler Schärfe Verstri- ckungen des alltäglichen Lebens deutlicher erfassbar machen, als es wissenschaftli- chen Texten möglich ist. Als Beispiel für eine derartige Begabung soll der Beginn von Christine Lavants Erzählung Das Wechselbälgchen (entstanden zwischen 1945 und 1949) wiedergegeben und analysiert werden. Die inhaltliche Dichte der folgenden Passage rechtfertigt ein längeres, zusammenhängendes Zitat. Wrga die Einäugige hatte ein Wechselbälgchen. Aber sie tat so, als ob sie das nicht wüsste und nannte das Bälgchen manchmal bei seinem schönen Namen. Ja, sie fand diesen Namen überaus schön, obgleich der Duldiger-Pfarrer gesagt hat, dass der Name eigentlich eine Strafe sei weil die verräterische Königin so geheißen hat und wenn es ein Bub wäre müsste es nach dem verbrecherischen Kaiser ›Napoleon‹ heißen. Nein, er kannte kein Erbarmen, wo es um eine große Sünde ging und ein Kind bekommen, zu dem man keinen Vater hat, ist eben eine große Sünde. Nein, er hatte auch bei Wrga keine Ausnahme gemacht, wenn sie auch ein gläsernes Auge hatte, das größer und viel schöner als das andere war. Er war gerecht und wenn er mit seiner eigentümlichen Kappe durch das Dorf ging legte er im- mer die Hände auf den Rücken, verstrickte sie dort zu einem Knäuel, so dass er sie beim besten Willen nicht mehr von einander und nach vorne bringen konnte, wenn etwa Kinder daherkamen und ihm diese Hände hätten küssen wollen. Dorfkinder haben ab und zu noch solche unbegreiflichen Einfälle, nichtwahr, und vielleicht denken sie an bunte Bildchen dabei. Und wie leicht könnte es dann sein, dass unter diesen Kindern welche dabei sind, denen man es zuerst gar nicht anmerkt und die vielleicht gar nicht viel schmutziger sind und die zum Schluss dann doch ganz unschuldig sagen, dass sie Zitha oder Napoleon hei- ßen. Davor hatten die Hände des Herrn Pfarrer Angst und so wollten sie lieber ganz und gar ungeküsst bleiben als solches auf sich zu nehmen. Aber deshalb brauchte es noch immer nicht wahr zu sein dass er, – wie die Leute sagten – Vögel unter seiner schwarzen Kappe hatte. Er war einfach gegen die Sünde und für die Gerechtigkeit und wenn er allein herum ging beredete er das mit sich und wurde auch manchmal ein bisschen laut dabei und dachte, er sei auf der Kanzel – mein Gott, was ist auch dabei ? Ein Pfarrer kann schließlich reden wo und wann er will und wenn die Leute dann behaupten, er hätte auch noch ein Spinnrad unter seiner Kappe, so war das nicht nur erlogen, sondern auch unmöglich. Aber so sind die Menschen. Da gehen sie her und streuen unwahre Reden über einen aus und wenn sie dann einmal so oder so in Not sind, dann gehen sie wohl am Ende gerade zu diesem einen, von dem sie eben noch Ungeheures behauptet haben und bekommen gleich im Voraus schon beim Frühbirnenbaum vor dem Pfarrhof Tränen in die Augen und Kummerfalten um den Mund und sagen drinnen dann Hochwürden hin und Hochwürden her und wie schön er beim letzten Hochamt wieder gesungen hätte, so recht zum Herzergreifen und Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Die Kirche und die »Kärntner Seele« Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
Titel
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Untertitel
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
Autor
Johannes Thonhauser
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23291-9
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
402
Schlagwörter
Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Danksagung 11
  2. Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
  3. 1 Vorbemerkungen 13
  4. 2 Hinführung 17
    1. 2.1 Empirische Befunde zur Wahrnehmung der Kirche in Kärnten 18
    2. 2.2 Der Sonderfall Kärnten und die Kirche 23
  5. 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
    1. 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
    2. 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
    3. 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
    4. 1 Missionierung und Christianisierung 59
    5. 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
    6. 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
    7. 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
    8. 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
  6. 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
    1. 2.1 Soziale Konfliktlinien im Konfessionellen Zeitalter 75
    2. 2.2 Die Reformation in Kärnten 79
    3. 2.3 Die Rekatholisierung in Kärnten 84
    4. 2.4 Der konfessionelle Absolutismus in Kärnten 89
      1. 2.4.1 Zur Rolle der Jesuiten 92
      2. 2.4.2 Emigration, Geheimprotestantismus und Transmigration 94
      3. 2.4.3 Zum staatlichen Missionswesen in Kärnten 100
  7. 3 Das Nationale Zeitalter 103
    1. 3.1 Die Kärntner Kirche im Reformabsolutismus 104
    2. 3.2 Die französische Besatzung Oberkärntens und die liberale Ordnung 108
    3. 3.3 Kirche und Staat im Nationalen Zeitalter 110
      1. 3.3.1 Der Sprachenkonflikt und die Kirche in Kärnten 111
      2. 3.3.2 Deutschnationalismus und Antiklerikalismus in Kärnten 114
      3. 3.3.3 »Hetzpfaffen« und »Pfaffenhetze« im Kontext von Erstem Weltkrieg und Abwehrkampf 120
      4. 3.3.4 Die katholische Kirche in der Ersten Republik 125
  8. Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
  9. 1 Hinführung 129
    1. 1.1 Gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen 130
    2. 1.2 Ideologische Grundzüge des »Christlichen Ständestaates« 133
      1. 1.2.1 Der Politische Katholizismus im »Christlichen Ständestaat« 136
      2. 1.2.2 Das Konkordat von 1933/34 und die Verfassung vom 1. Mai 1934 138
      3. 1.2.3 Zur »Rekatholisierung« des Alltaglebens 140
      4. 1.2.4 Zur allgemeinen politischen Entwicklung des Ständestaates 142
    3. 1.3 Der »Christliche Ständestaat« in Kärnten 144
      1. 1.3.1 Zur administrativen Umsetzung des Ständestaates in Kärnten 145
      2. 1.3.2 Zur Kärntner nationalsozialistischen Bewegung im Ständestaat 147
      3. 1.3.3 Zur Rolle Bischof Hefters und des Politischen Katholizismus in Kärnten 1933 bis 1938 148
  10. 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
    1. 2.1 Hinführung 151
      1. 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
      2. 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
      3. 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
      4. 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
      5. 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
        1. 2.2.2.1 Der Weihnachtshirtenbrief 1933 165
        2. 2.2.2.2 Die Silvesterpredigt von Bischof Hefter 1933/34 169
        3. 2.2.2.3 Die Ausschreitungen im Jänner 1934 173
        4. 2.2.2.4 Die Februarrevolte 1934 176
      6. 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
      7. 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
    2. 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
      1. 2.3.1 Die Wahrnehmung der Kärntner Kirche als Agent der Regierung in Wien 181
      2. 2.3.2 Zur Einflussnahme der Kirche auf staatliche Behörden 184
    3. 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
      1. 2.4.1 Antiklerikalismus und die Person des Pfarrers 187
        1. 2.4.1.1 Streitbare Priesterpersönlichkeiten 188
        2. 2.4.1.2 Die Katechese der Drohung und Beschämung 191
        3. 2.4.1.3 Schmähungen der Bevölkerung durch den Priester 193
      2. 2.4.2 Finanzielle Austrittsgründe 196
    4. 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
      1. 2.5.1 Zur Rolle der protestantischen Geistlichen 198
      2. 2.5.2 Soziale Trägerschichten und »milieusensible« Propaganda 200
      3. 2.5.3 Zur Rolle finanzieller Unterstützungen durch die evangelische Kirche 202
    5. 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
      1. 2.6.1 Kirchenferne und die nationalsozialistische Ersatzreligion 204
      2. 2.6.2 Nationalsozialistische Propagandamethoden 206
    6. 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
  11. 3 Zwischenresümee 216
    1. 3.1 Zum zeitgeschichtlichen Ertrag des analysierten Archivmaterials 216
    2. 3.2 Zum mentalitätsgeschichtlichen Ertrag des analysierten Archivmaterials 218
    3. 3.3 Zur Komplementarität von Habitus und kulturellem Gedächtnis 220
  12. Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
  13. 1 Hinführung 223
  14. 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
    1. 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
    2. 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
      1. 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
      2. 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
        1. 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
        2. 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
        3. 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
        4. 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
        5. 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
        6. 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
        7. 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
    3. 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
      1. 2.3.1 Türken, Ungarn und Bauern in Jakob Unrests Österreichischer Chronik 262
      2. 2.3.2 Gedächtnisgeschichtliche Metamorphosen der Türkeneinfälle in Kärnten 266
    4. 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
      1. 2.4.1 Verstreute Erinnerungen an die Zeit der Gegenreformation 271
      2. 2.4.2 Emilie Zennecks Glaubensstreiter (1931/1946) 274
    5. 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
      1. 2.5.1 Die Franzosenzeit als Patriotenzeit 283
      2. 2.5.2 Franzosenbild und Gesellschaftskritik in Hans SittenbergersTagebuch der Scholastica Bergamin (1899) 286
      3. 2.5.3 Franzosen und Kärntner in Dolores Viesèrs Roman Nachtquartier(1971) 293
      4. 2.5.4 Zwischenresümee 301
    6. 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
      1. 2.6.1 Josef F. Perkonigs Verhältnis zu Religion und katholischer Kirche 305
      2. 2.6.2 Das Bild von Klerus und Heimat in der Tragödie Heimsuchung 309
      3. 2.6.3 Perkonigs Wirken im »Christlichen Ständestaat« 314
    7. 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
      1. 2.7.1 Bäuerliches Herkunftsmilieu und Sozialisation 319
      2. 2.7.2 Kloster, Kunst und Liebe 321
      3. 2.7.3 Krise, Ständestaat und endgültiger Bruch mit der Amtskirche 327
      4. 2.7.4 »Anschluss« und Nationalsozialismus 330
      5. 2.7.5 Lobisser und das kollektive Gedächtnis Kärntens 334
  15. 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
  16. Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
  17. 1 Rückblick 344
  18. 2 Ausblick 348
  19. 3 Zusammenfassung 350
  20. Anhang 353
  21. 1 Abkürzungsverzeichnis 353
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