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121Das
Nationale Zeitalter
die in Vergnügungssucht und Schamlosigkeit einem sittenlosen Leben gefrönt hat
und nun in der Umkehr der heilvollen Zuwendung Gottes harren sollte.312
In dasselbe theologisch-moralisierende Argumentationsmuster stimmte auch
Hefter ein. Der Krieg sei ein gerechter Kampf und die Siege in den Anfangsjahren
bewiesen den Beistand des Allmächtigen im opferbereiten Einsatz für das Vaterland.
Zugleich seien die Schrecken des Krieges aber auch die Heimsuchung Gottes für
»Hohn und Spott gegenüber jeder religiösen Betätigung«313 und jedweder Art von
Sittenlosigkeit, der es nun reumütig und tugendhaft zu begegnen gelte. Die erstarkte
Konkurrenz der evangelischen Kirche nahm man im Kontext der Kriegsfürsorge
wahr und war besorgt um den »rechten« religiösen Einfluss auf Waisenkinder.314
Die ungebrochene Loyalität zum Hause Habsburg äußerte sich im Werben für
Kriegsanleihen zur Kriegsmittelfinanzierung. Im Zuge der vierten und fünften
Kriegs anleihe stieß man aber bei Oberkärntner Bauern auf Widerstand, worauf man
den Klerus zur Belehrung der bäuerlichen Bevölkerung anwies und Gerüchte, de-
nen zufolge eine Verweigerung der Anleihe zu einem schnelleren Kriegsende führen
könnte, zerstreuen ließ.315
Erhebliche Schwierigkeiten bereiteten der Kirche aber die Anfeindungen und
»gänzlich undifferenzierten Verfolgungsmaßnahmen gegen slowenische Geistliche
und politische Funktionäre«316. Schon in den Anfangsmonaten des Ersten Weltkriegs
wurden Kärntner slowenische – und zum Teil auch deutsche – Kleriker der Spionage
und des Hochverrats beschuldigt und einzelne gar vor ein Militärgericht gestellt.317
Peter G. Tropper hat zahlreiche Archivdokumente dazu publiziert.318 Offene Feind-
seligkeiten gegenüber Klerikern, vor allem in Klagenfurt, veranlassten den deut-
schen Priesterbund zu einer Beschwerdeschrift an den Landespräsidenten, in der
man die patriotische Gesinnung des Kärntner Klerus versicherte und um stärkere
Einbindung in karitative Fürsorgeaktionen des Landes bat, um zu verhindern, dass
»ein großer Teil der Bevölkerung in ihrem Vorurteil bestärkt wird, als ob der Klerus
312 Ebd., 24.
313 Adam Hefter, zit. ebd., 59.
314 Ebd., 58–60. Vor allem im Hinblick auf die evangelische Diakonie in Waiern und Treffen ließ Hefter
wissen : »Die Herren Pfarrvorstände werden es als ihre Pflicht erachten, dafür zu sorgen, dass katho-
lische Waisen nur in katholische Anstalten kommen und dass alle in Betracht kommenden Faktoren
über den Charakter solcher Anstalten, in denen Proselytenmacherei betrieben wird, rechtzeitig auf-
geklärt werden. Katholische Kinder gehören in katholische Familien und katholische Anstalten.«
Adam Hefter, zit. ebd., 76.
315 Ebd., 94 f.
316 Wadl, W.: Entwicklung (1995), 17.
317 Tropper, P. G.: Nationalitätenkonflikt (2002), 14.
318 Ebd.; Tropper, P. G.: Verleumdet ? (2005).
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353