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Kirche und Habitusentwicklung in
Kärnten122
in diesen hohen patriotischen Angelegenheiten nicht seine ganze Pflicht erfüllt.«319
Man klagt darin über
die ungerechte Beurteilung und antiklerikale Stimmung, die selbst Kreise ergriffen hat,
von denen wir eine unparteiische Würdigung unserer Arbeit erwarten. Man lässt den Hass
gegen den slovenischen Klerus ruhig gewähren und macht bald keinen Unterschied mehr
zwischen deutscher und slovenischer Geistlichkeit, es geht schlechthin gegen die ›Pfaffen‹.
[…] Zahlreiche Anzeichen deuten schon jetzt auf eine zukünftige Kulturkampfhetze hin,
besonders auf ein neues Wiedereinsetzen der mit den moralisch verwerflichsten Mitteln
arbeitenden Los von Rom-Bewegung, die von [!] allen in den Orten der Sprachgrenze sich
ein fruchtbares Arbeitsfeld verspricht, aber auch im ganzen Lande Widerhall finden soll.320
Eine weitere Beschwerdeschrift des slowenischen Klerus dreieinhalb Monate später
wandte sich nun nicht mehr nach Klagenfurt, wo man den Landespräsidenten als
Drahtzieher der »Pfaffenhetze« vermutete, sondern an den Ministerpräsidenten und
den Kultusminister in Wien. Die konkreten Anschuldigungen seitens der Behörden
und der deutschnationalen Bevölkerung bestanden vor allem in der Angst vor den
engen Verbindungen des slowenischen Klerus nach Serbien.321
Der Vorwurf panslawistischer Aktivitäten und der »Serbophilie« wog schwer. 16
Priester wurden im Laufe von drei Verfolgungswellen verhaftet, etliche mussten
Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen.322 Inhaftierte Kleriker wurden vor
ihren Prozessen von aufgebrachten Schaulustigen als »Hetzpfaffe, Hochverräter,
Pfuischweine«323 beschimpft. Auch nach der Rückeroberung der von SHS-Trup-
pen im November 1918 besetzten Gebiete Südkärntens wurde »eine beträchtliche
Anzahl«324 von Kärntner Klerikern verhaftet.
Bischof Hefter musste mehrmals eingreifen. »Der Klerus Kärntens […] hat über-
all sein patriotisches Empfinden geoffenbart«, versicherte Hefter in einer Eingabe
an das Armee-Oberkommando. »Der Vorwurf der Spionage trifft den Klerus am
härtesten und setzt ihn auch in den Augen des Volkes am meisten herab«, führte
Hefter weiter aus und versicherte, »dass unter dem Klerus, dem deutschen sowohl
wie dem slovenischen, kein Verräter sich findet.«325 Hefter übermittelte mit diesem
Schreiben auch Dokumente von einem »der Führer der nationalen Bewegung unter
319 Tropper, P. G.: Nationalitätenkonflikt (2002), 25 ; Tropper, P. G.: Verleumdet ? (2005), 250.
320 Bund deutscher Priester, zit. in Tropper, P. G.: Nationalitätenkonflikt (2002), 26.
321 Tropper, P. G.: Nationalitätenkonflikt (2002), 31 f.; Tropper, P. G.: Verleumdet ? (2005), 250.
322 Tropper, P. G.: Nationalitätenkonflikt (2002), 51 f.
323 Slowenischer Klerus, zit. ebd., 32.
324 Ebd., 16.; Tropper, P. G.: Verleumdet ? (2005), 252.
325 Adam Hefter, zit. in Tropper, P. G.: Front (2015), 99.
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Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353