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149Hinführung
an, der Heilige Stuhl ernannte aber stattdessen mit Andreas Rohracher 1933 einen
Weihbischof, der sich entschiedener gegen den Nationalsozialismus stellen sollte, als
dies Hefter zu tun vermochte.112 Zweifellos eines der dringlichsten Anliegen Bischof
Hefters und der Kärntner Kirche insgesamt während der Zeit des Ständestaates war
die Bekämpfung der Kirchenaustrittsbewegung. Hierin liegt auch ein Grund für die
eher zaghafte Oppositionshaltung, die Hefter den Nationalsozialisten gegenüber
einnahm. So stand er dem Weihnachtshirtenbrief des österreichischen Episkopats
vom 21. Dezember 1933, in dem der Regierung Dollfuß ein fast enthusiastisches
Wohlwollen seitens der Kirche ausgesprochen wird, reserviert gegenüber und ließ
diesen aus Angst vor weiteren antikirchlichen Hetzkampagnen nur eingeschränkt
verlesen.113 Zugleich versuchte er in seiner Silvesterpredigt, heikle Stellen aus dem
Hirtenbrief zu beschwichtigen. Vor dem Urteil über die Juliputschisten von 1934 plä-
dierte er für christliche Milde und Mitleid.114 Hefter war es neben Innitzer auch, der
die im österreichischen Episkopat stark umstrittene Schrift des Titularbischofs Alois
Hudal zur Vereinbarkeit von Nationalsozialismus und Christentum nicht dezidiert
ablehnte.115 Die umstrittene »Feierliche Erklärung« der österreichischen Bischöfe
vom 18. März 1938 bestärkte er am 22. März mit einem diözesanen Hirtenwort, in
dem er die Kärntner Katholiken und Katholikinnen angesichts des Machtwechsels
auf die christliche Tugend des Gehorsams hinwies.116
Vollends als Sympathisant des Nationalsozialismus galt er seit seinem Auftreten
bei Hitlers Besuch in Klagenfurt am 4. April 1938, wo er dem »Führer« in bischöf-
lichem Talar die Hand reichte – ein Foto dieses Moments wurde von den Nazis
entsprechend propagandistisch ausgeschlachtet. Hefter schwieg zu diesen Vorfällen
112 Tropper, P. G.: Vom 19. Jahrhundert (2005), 18–20.
113 Dieser Verzicht auf Veröffentlichung im Kirchlichen Verordnungsblatt bedeutet aber nicht, dass der
Hirtenbrief »nicht über die Kirchenkanzeln« verlesen wurde, wie Burz, U.: Die katholische Kirche
(2015), 183 schlussfolgert. Am 28.12.1933 erging ein Schreiben des Ordinariates an die Pfarren, dem-
zufolge der »zur Verlesung am 31. Dezember l.J. übersandte Hirtenbrief« in seinen parteipolitisch
interpretierbaren Stellen unterbleiben kann, aber nicht muss. In einigen Pfarren wurde er tatsächlich
verlesen. Vgl. dazu Näheres in Kapitel 2.2.2.2. Der Hinweis bei Tropper, P. G.: Vom 19. Jahrhundert
(2005), 21 und Tropper, P. G.: Ordnung der Frömmigkeit (2011), 65 auf Hefters »unterlassene Ver-
öffentlichung des Hirtenbriefes über den wahren und falschen Nationalismus aus der Feder Bischof
Gföllners« ist dahingehend zu ergänzen, dass dieser Hirtenbrief vom 21. Jänner 1933, also unmittel-
bar vor Hitlers Machtergreifung in Deutschland, ohnehin nie von der österreichischen Bischofkon-
ferenz abgesegnet und nur in zwei Diözesen veröffentlicht worden war. Dazu im Detail Weinzierl-
Fischer, E.: Österreichs Katholiken 1 (1963), 436–438.
114 Wenige Tage nach dem Putsch ordnete er zum Gedenken an diese »beklagenswerten Vorfälle« einen
»Sühne- und Bettag« an. KVBl. Nr. 17 (14.08.1934), 67 ; Burz, U.: Die katholische Kirche (2015), 184.
115 Ebd., 183 f.
116 KVBl. Nr. 6 (22.03.1938), 21 f.
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353