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167Die
Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938
selbst strengste Maßnahmen ergriffen werden müssen, so trägt die Schuld daran nicht die
Regierung, sondern der schuldige Teil. Einzelne Mißgriffe […] sind zu bedauern […] : aber
ebensosehr, ja noch mehr zu bedauern ist der hartnäckig fortgesetzte Ungehorsam und
Widerstand gegen die gesetzmäßige Regierung […].170
Die Aufzählung bereits erfolgter »segensreicher Taten« der Regierung zum Wieder-
aufbau des christlichen Charakters des Landes wird zusammengefasst in folgender
Feststellung :
[D]ie Wiederverchristlichung des gesamten öffentlichen Lebens und das friedliche Zusam-
menwirken zwischen Staat und Kirche zum Wohle aller : das ist das großzügige Programm
und das ist das unbestreitbare Verdienst unserer Regierung, die sich in Wahrheit als eine
wahrhaft christliche erweist und der wir daher zu innigem Danke, aber auch zu einträchti-
ger und opferwilliger Mitarbeit und Unterstützung im Gewissen verpflichtet sind.171
Es ist schwer abzuschätzen, ob die unmissverständliche Rückenstärkung des Doll-
fuß-Regimes oder die nun folgende Argumentation gegen den Nationalsozialismus
für größere Ablehnung in der Kärntner Bevölkerung gesorgt hat. Es muss wohl die
Kombination beider Aspekte sein.
Zunächst gehen die Bischöfe auf die Auseinandersetzungen mit Nazi-Deutsch-
land ein, die unter Betonung des deutschen Charakters des österreichischen Volkes
als »Bruder-Zwist« bezeichnet werden :
Nicht wir Österreicher haben Zwist heraufbeschworen, der Bruderkrieg wurde uns aufge-
drängt – wir haben wiederholt die Hand zum Frieden geboten und wir werden sie bereit
halten, bis sie im versöhnlichen Geiste angenommen wird. […] Allerdings trägt dieser Zwist
nicht nur einen politischen Charakter, sondern ist in seinem tiefsten Wesen im religiösen
Gedankenkreis des Nationalsozialismus begründet. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß
die deutschen Bischöfe schon vor Jahren einmütig den Nationalsozialismus vom religiösen
und kirchlichen Standpunkt aus abgelehnt und verurteilt haben. […] [D]ie christliche Re-
gierung Österreichs wahrt in ihrem Abwehrkampf gegen den Nationalsozialismus nicht nur
ihre berechtigten politischen Rechte und Interessen, sondern errichtet gleichzeitig einen
mächtigen Schutzdamm gegen das weitere Eindringen dieser religiösen Irrtümer.172
Mit dem Hinweis auf den Fastenhirtenbrief vom Februar 1932 werden nun vier
Grund wahrheiten ausformuliert und den »Irrlehren« des Nationalsozialismus gegen-
170 Ebd., 5.
171 Ebd.
172 Ebd., 6.
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353