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Kirche und Habitus im kulturellen
Gedächtnis226
Heimatbuch bezeichneten Büchlein aus dem Jahr 19237 das Christentum als Ausdruck
zivilisatorischer Überlegenheit des Germanentums gegenüber dem heidnischen Sla-
wentum. Die karantanischen Slawen werden als barbarische Eindringlinge beschrie-
ben, deren Hass gegen die lokale Bevölkerung und ihre christlich-romanische Kultur
erst durch die Bayern, dem kulturell und sittlich höherstehenden »deutschen Volk«
also, gebändigt worden sei. So heißt es an einer Stelle : »Und als im 6. Jahrhundert
die Alpenslawen von Osten her in unser Land eindrangen, welche dem kampfgeüb-
ten, rauhen und räuberischen Avarenvolke dienstbar waren, da wurde das Maß des
Leides der einheimischen Bevölkerung erst voll.«8 Der Autor vermischt in seinen
Ausführungen »slawisch« und »slowenisch« und nimmt eine Typisierung durch die
verallgemeinernde Bezeichnung »der Slowene« vor :
Doch die Bergabhänge weit hinauf setzte sich der Slowene fest und tief hinein in die ent-
legenen Nebentäler. […] Zwar waren sie ein Bauernvolk, doch dabei rauh und grausam,
erfüllt von wilder Kampfeslust. Im Slowenensturm erst gehen die alten römischen Städte
vollständig zugrunde und im fanatischen Hasse gegen das Christentum finden die kaum
erblühten christlichen Kultusstätten ihren frühen Untergang. Ihrem wütenden Anpralle
erliegt nun auch die letzte römisch-keltische Siedlung, der Bischofsitz Teurnia, der Mittel-
punkt christlicher Gottesverehrung.9
Erst bei den Bayern und damit in »der weit höheren deutschen Kultur und Gesit-
tung« trafen die Slawen »in ihrem Eroberungs- und Verwüstungsdrange endlich auf
heftigen Widerstand.«10 Dies sei aber »nur zum Wohle der Slowenen« gewesen, denn
eine neue Epoche meldet sich in der geschichtlichen Entwicklung unseres Landes an : der
kulturelle Aufstieg nach jahrhundertelangem Stillstand, herbeigeführt durch das deutsche Volk.
Wohl setzten die Slowenen dem Christentume starken Widerstand entgegen und mancher
allzueifrige Glaubensbote mag ihrem wilden Fanatismus erlegen sein ; wohl haben sie dem
Christentum im Lande durch die Vernichtung seiner festesten Stütze, Teurnias, den ver-
derblichen Schlag versetzt – auf die Dauer konnten sie sich dem Evangelium doch nicht
entziehen.11
Das Christentum dient dem Autor hier also als zivilisierte Gegenfolie zum barba-
rischen Heidentum, die Bekehrung der Slawen wird als Kulturfortschritt gedeutet.
7 Widmann, H.: Kärntner Heimatbuch (1923).
8 Ebd., 42.
9 Ebd.
10 Ebd., 43.
11 Ebd., 43 f., H. i. O.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353