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Kirche und Habitus im kulturellen
Gedächtnis316
ger Obmann des Kärntner Heimatbundes (1930–1938) zu tun«374 hatte. Perkonig
habe schon vor dem »Anschluss« den »Kampf um Kärntens Grenze in einen Kampf
um Großdeutschland umgedeutet.«375 Auch durch seine Positionierungen innerhalb
des Literaturbetriebs bezog er schon 1933 klar positive Stellung zum »Anschluss«.376
In einem Rechtfertigungsschreiben an Reichsstatthalter Bürckel im Oktober 1938 –
offenbar war seine Gesinnung infrage gestellt worden – versichert er : »[I]m Jahre
1934 meldete ich mich zur NSDAP, meine Tätigkeit als Obmann des Kärntner Hei-
matbundes bezeugt eindeutig meine Gesinnung.«377 In einem unveröffentlichten
Rechtfertigungsschreiben nach 1945 soll Perkonig das widerrufen haben : »Ich war
nie Mitglied der NSDAP«378, heißt es dort.
Die Schilderungen Perkonigs zu seiner Tätigkeit in der Vaterländischen Front
sind widersprüchlich, vergleicht man seine Erinnerungen unmittelbar nach dem
»Anschluss« mit den Beschwichtigungen nach 1945. Da beteuert er einerseits (nach
dem »Anschluss«) seinen Einsatz für »unterdrückte nationale Menschen«, schimpft
über das ständestaatliche System als »eine Tyrannei von kleinen armseligen, bos-
haften Knechten« und betont seine aufrichtige Solidarisierung »mit dem Leide und
dem Zorn vieler Menschen«, die in seinem Büro ein- und ausgegangen seien. Dem-
gegenüber steht die dazu konträre Schilderung nach 1945, wie sie Klaus Amann
Perkonigs unveröffentlichter Schrift Meine Haltung entnimmt :
»Perkonig beschreibt sich dort als ›Funktionär der Vaterländischen Front‹, der
zunächst einmal tagelang im Hause der Vaterländischen Front gesessen sei, ohne daß
sich jemand ›von den Kreisen, deren Anwalt‹ er zu sein hatte, um ihn ›bekümmert‹
habe. Erst später sei er als ›Sprachrohr für die Forderungen der Nationalsozialisten
benützt [worden]‹.«379
Perkonig wirkte als Volkspolitischer Referent zunächst jedenfalls öffentlich zu-
rückhaltender als sein Salzburger und sein steirischer Kollege, nach dem Berchtes-
gadener Abkommen vom 12. Februar 1938 trat er jedoch deutlich bestimmter auf.
Er rief zu einer nationalsozialistischen Kundgebung auf und wies im Zuge der Prä-
sentation der neuen Beiräte des Volkspolitischen Referats Landeshauptmann Sucher
darauf hin, dass »unbelehrbare Gegner« ihre politische Position verlieren werden.
Perkonig wirkte außerdem entscheidend an den Personalfragen für die Etablierung
der nationalsozialistischen Kärntner Landesregierung mit. Etliche Persönlichkeiten
aus dem Umfeld Perkonigs, sei es aus der Nähe des Volkspolitischen Referates, sei es
374 Ebd., 37.
375 Ebd.
376 Ebd., 39 f.
377 Perkonig, J. F.: Rechtfertigungsschreiben (1989), 289.
378 Amann, K.: Der Wort-Führer Kärntens (1989), 40, FN 44.
379 Ebd., 43, FN 50, Eckige Klammer i. O.
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Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353