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347Rückblick
– Inhaftierung, Deportation oder erzwungene Flucht von oppositionellen Personen
rissen Familienverbände auseinander ;
– die Angst der Behörden vor der Propaganda von außen fand ihre Entsprechung in
der Hoffnung der Widerständigen auf Hilfe von außen ;
– dazu zählte auch die ideologische Unterstützung nicht zuletzt durch die Verbrei-
tung von Propagandamaterial wie Flugblätter und einschlägiger Literatur ;
– abgelegene Bauern- und Gasthäuser dienten als mehr oder weniger geheime Ver-
sammlungszentren der Widerständigen ;
– evangelische Prediger, Schulmeister bzw. Lehrer und Lehrerinnen galten als
wichtige ideologische Multiplikatoren und Multiplikatorinnen ;
– im öffentlichen Leben bewegte man sich auf einem schmalen Grat zwischen Ge-
heimhaltung und offenem Widerstand ;
– Ausdruck dessen waren provozierende Körperhaltungen und Schmähungen von
staatlichen wie kirchlichen Vertretern ;
– die behördlichen Verfolgungsmaßnahmen scheiterten aber nicht zuletzt an der
mangelnden Kooperationsbereitschaft der lokalen Behörden.
Man findet also zahlreiche Anknüpfungspunkte, an denen die traumatisierenden Er-
lebnisse des 17. und 18. Jahrhunderts erneut in jener kurzen Phase am Vorabend
des »Anschlusses« 1938 zum Vorschein kamen. Der besonders große Zulauf zur
nationalsozialistischen Bewegung in Kärnten muss auch in diesem Zusammenhang
gesehen werden. Vonseiten der Kirchenführung in Kärnten wurde dem Nationalso-
zialismus, in Kenntnis der mentalitätsgeschichtlichen Situation, mit einer deutlich
gemäßigteren Linie als in anderen Diözesen begegnet, nicht zuletzt um die Gefahr
eines Massenaustritts aus der Kirche abzuwenden. Diese Haltung brachte allen vo-
ran Bischof Adam Hefter einen zweifelhaften Ruf ein, wenngleich – aus soziolo-
gischer Sicht – der Handlungsspielraum des Kärntner Oberhirten beschränkt er-
scheint, wie das etwa anhand der Dynamik rund um den Weihnachtshirtenbrief des
österreichischen Episkopats 1933 und der darauf folgenden Silvesterpredigt Hefters
zu sehen war. So lieferten die analysierten Klerikerberichte unter anderem auch ei-
nen wertvollen, ergänzenden Blick auf die Ereignisse im ersten Halbjahr 1934, die in
den für Kärnten als besonders heftig zu bewertenden Juliputschkämpfen mündeten.
Darüber hinaus bot das ausgewertete Archivmaterial aber auch ein eindrucksvolles
Stimmungsbild der Konflikt- und Beziehungsdynamiken zwischen dem Klerus und
der Kärntner Bevölkerung jener Jahre.
Dieses atmosphärische Element wurde erst verstehbar vor dem Hintergrund der
wesentlichen identitätsformenden Narrative dieser Zeit und der Rolle, die Klerus
und Kirche darin spielen. Sie wurden im dritten Hauptteil in Form von sieben Erin-
nerungstraditionen, wie sie im kulturellen Gedächtnis Kärntens der Zwischenkriegs-
zeit präsent waren, einer eingehenden Analyse unterzogen. In ihr kamen einzelne
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353