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85Das
Konfessionelle Zeitalter
Generation protestantisch sozialisiert. Deren Widerstand glaubte man nur durch
umso härtere Maßnahmen brechen zu können.125 Zunächst jedoch setzte man erste
gegenreformatorische Impulse, ohne großes Aufsehen zu erregen. So sorgte man ab
1580 zunächst für die Rekatholisierung des eigenen Hofstabes und jener landesfürst-
lichen Städte, die im Brucker Libell nicht genannt wurden – in Kärnten betraf dies
Völkermarkt, Bleiburg und St. Veit.126
Auch auf kirchlicher Seite begann man, erste Maßnahmen zu vollziehen. Der
Gurker Bischof Urban Sagstetter (1529–1573) hatte bereits in den 1570er Jahren
Initiativen im Bereich Bildung, Armenfürsorge und im Bauwesen gesetzt, die Be-
kämpfung des niedrigen Bildungsstands der Kleriker scheiterte aber an der Angst,
dass sich gelehrte Geistliche nicht mehr mit den »mageren« Gurker Pfründen be-
gnügen würden.127 Sein Nachfolger Christoph Andreas Spaur (1543–1613) initiierte
die Errichtung eines Priesterseminars in Straßburg, wodurch die beiden mächtigsten
Kirchenherren in Kärnten, der Erzbischof von Salzburg und der Patriarch von Aqui-
leia, keinen Zugriff auf die Priesterausbildung in Kärnten hatten.128 Spaur ging auch
gegen Missstände wie das Konkubinat, Tanz und andere Belustigungen sowie unge-
bührliches öffentliches Auftreten vor. Seine Konfrontation mit dem protestantischen
Adel führte zu Gerichtsprozessen und mitunter zu Gewalttätigkeiten. Als nach vo-
rübergehender Erlaubnis der Laienkelch, eines der zentralen liturgischen Symbole
der protestantischen Bewegung, seitens Rom wieder verboten wurde, musste Spaur
dort über die Verweigerung der Osterkommunion von 4.000 Personen – also jedes
sechsten Diözesanmitglieds – sowie über die Androhung großer Abfallsbewegun-
gen berichten. Es kam zu zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen dem Kärntner
Kirchenvolk und der kirchlichen Obrigkeit.129
Dem vergleichsweise kleinen Diözesansprengel Gurks standen die beiden großen
seelsorglichen Zuständigkeitsbereiche Salzburgs und Aquileias gegenüber. Die Ziel-
setzungen des Tridentinums waren bereits auf der Salzburger Provinzialsynode 1569
aufgenommen worden, aber erst die Salzburger Visitation 1614 und 1616 beschäf-
tigte sich eingehend mit den kirchlichen Verhältnissen in Kärnten, allen voran mit
form« im innerösterreichischen Kontext siehe Dolinar, F. M./Liebmann, M./Rumpler, H.: Die Ge-
genreformation (1994), 11–18.
125 Höfer, R. K.: Gegenreformatorische Maßnahmen (2011), 202 f.
126 Fräss-Ehrfeld, C.: Die ständische Epoche (1994), 405–408.
127 Ebd., 385–392.
128 Frankl, K. H.: Konfessionalisierung (2000), 233 f.
129 Fräss-Ehrfeld, C.: Die ständische Epoche (1994), 424–429. Das reichte bis hin zu tragisch-skurrilen
Fällen, wie es jener eines 1589 durch bischöflichen Befehl wieder exhumierten Leichnams eines Bau-
ern in St. Lorenzen war, der sein Leben lang die Kommunion verweigert hatte, wenn sie nicht in
beiderlei Gestalt gespendet wurde. Ebd., 428.
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353