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123Das
Nationale Zeitalter
dem slovenischen Klerus«, um damit »Beweise positiv patriotischer Tätigkeit von
slovenischer Seite vorzulegen.«326
Ungeachtet dessen bildete der slowenische Klerus nach wie vor einen Teil der
Elite nationalpolitischen Denkens der projugoslawisch gesinnten Kärntner Slowe-
nen und Sloweninnen. So war der Generalkommissar für »Slowenisch-Kärnten«,
den die Laibacher Nationalregierung in den letzten Kriegstagen demonstrativ in
Klagenfurt einsetzen ließ, ein Kleriker.327 Der für den SHS-Staat bei der Friedens-
konferenz bzw. in der Miles-Kommission als Sachverständiger auftretende Lambert
Ehrlich war ebenfalls Kärntner Kleriker. Er betätigte sich auch in publizistischer
Weise für die Rechtfertigung der slowenischen Ansprüche auf Kärnten.328
Die jugoslawische Propagandaarbeit versuchte die (vermeintliche) Kirchen-
nähe der slowenischsprachigen Kärntner und Kärntnerinnen zu nutzen und führte
die schwache politische Verankerung von Kirche und Religion in Kärnten bzw.
(Deutsch-)Österreich als Argument an. Das vorherrschende Eherecht, demzufolge
Gemeindevorständen das Dispensrecht bei Ehehindernissen zustand, sei ein Eingriff
in die katholische Überzeugung von der Unverletzlichkeit der Ehe. Interessant ist
diese Argumentation, weil man insbesondere Frauen anzusprechen hoffte, indem
man ihnen zu vermitteln versuchte, dass solche Regelungen sie schutzlos den Kärnt-
ner Männern ausliefern und zu Dirnen degradieren würden. Überdies prophezeite
die jugoslawische Propaganda bei einem Verbleib bei Österreich ein baldiges Kir-
chenbesuchsverbot inklusive eines Beicht- und Krankensalbungsverbots, darüber hi-
naus warnte man »vor den Wiener Juden, der ›Los-von-Rom-Bewegung‹ und dem
Kärntner Protestantismus.«329
Für die Vermittlung solcher Inhalte bediente man sich insbesondere der Kirchen-
kanzeln. Ein Großteil der Kärntner katholischen Geistlichkeit in der Zone A sympa-
thisierte mit den Okkupatoren. »Bei politischen Versammlungen, aber auch von der
Kanzel herab, wurde nicht nur die Gottgefälligkeit und Christenpflicht des Südkärnt-
ner Anschlusses an SHS, sondern auch unversöhnlicher Deutschenhaß gepredigt.«330
Diesen Sachverhalt illustriert ein erhalten gebliebenes »Propagandaschreiben« eines
Eberndorfer Kaplans vom April 1919, in dem er den Ministerpräsidenten in Belgrad
bittet : »[S]etzen Sie alle Ihre Kräfte dafür ein, daß das ganze slovenische Kärnten
unter Südslavien komme. Die Kärntner Slovenen werden die treuesten Untertanen
326 Adam Hefter, zit. ebd., 100.
327 Rumpler, H.: Die nationale Frage (2005), 13. Es handelte sich dabei um den Domvikar Franc Smodej,
der in Klagenfurt angesichts des Einmarsches südslawischer Truppenverbände in Kärnten die jugos-
lawische Fahne hissen ließ. Deuer, W.: Abwehrkampf und Volksabstimmung (1995), 69.
328 Ebd.
329 Ebd., 122 f.
330 Ebd., 85.
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353