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131Hinführung
sationen (Studentenbünde, Turnvereine, Jugendbünde) formierte. Katholisch-nati-
onal war jene Richtung, die die Anschlussidee6 mit dem katholischen Österreichge-
danken in Einklang zu bringen versuchte. Dieser relativ kleinen Gruppe gehörten
einflussreiche Eliten aus den CV-Verbindungen an, wie Arthur Seyß-Inquart und
Kurt Schuschnigg, wobei sich der österreichische Cartellverband 1933 vom natio-
nalsozialistisch vereinnahmten gesamtdeutschen Cartellverband distanzierte. Eben-
falls stark in katholischen Kreisen beheimatet waren die um die Monarchie Trauern-
den. Sie wollten mit der »Österreichischen Aktion« als politisches Programm ein
neues Österreichbewusstsein im Rückgriff auf die Ideale der Monarchie etablieren.7
Während das christlich-soziale Lager in der gesamten Ersten Republik gemein-
sam mit den Sozialdemokraten die dominierende politische Kraft war, war dies in
Kärnten keineswegs so. Hier springt die Schwäche der Christlichsozialen Partei ge-
radezu ins Auge.8 In Kärnten war es vielmehr die Sozialdemokratie, die beim ersten
bundesweiten demokratischen Urnengang 1919 49 % erreichen konnte.9 Auch sie
bekannte sich in jener Epoche zu einer engen Bindung an das Deutschtum.10 Ihre
Macht wurde in Kärnten der 1920er Jahre aber durch die Bildung eines Bürgerblocks
von Landbund, Christlichsozialen und Großdeutschen deutlich im Zaum gehalten.11
Mit Vinzenz Schumy stellte dieser Bürgerblock 1923 bis 1927 den Landeshaupt-
mann. Schumy war Leiter des Bauernbunds, der im Landbund aufging und dessen
Elite sich auch aus »Windischen Deutschnationalen«, wie diejenigen Slowenen und
Sloweninnen genannt wurden, die sich im Zuge von Abwehrkampf und Volksabstim-
mung für Kärnten entschieden hatten, zusammensetzte.12 Der Landbund bzw. seine
Vertreter pflegten enge Kontakte zum Kärntner Heimatdienst bzw. zum Kärntner
Heimatbund, der 1924 nach dem Ausscheren der Sozialdemokratie als Nachfolgeor-
ganisation aus Ersterem hervorgegangen war.13
Eine weitere einflussreiche Kraft im Bürgerblock war die Großdeutsche Volks-
partei, die vor allem das Kleinbürgertum und den Mittelstand ansprach. Ihre Wäh-
6 Erst seit der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland wurde der Anschlussgedanke als
Bedrohung für die Regierungsparteien in Kärnten bzw. in Österreich empfunden. Bis 1933 hingegen
hatte die Anschlussidee in allen politischen Parteien in Kärnten Widerhall gefunden. Ogris, A.: An-
schlußideen (1988), 13–39.
7 Bruckmüller, E.: Katholisches (2013), 42 f.
8 Wadl, W.: Beiträge zur Geschichte (1991), 383.
9 Perchinig, B.: Wir sind Kärntner (1989), 96.
10 Bruckmüller, E.: Katholisches (2013), 42 f.
11 Eine derartige »Einheitsfront der besitzenden Klassen« war unter den österreichischen Bundeslän-
dern einzigartig. Valentin, H.: Kärnten (2011), 41.
12 Diese Unterscheidung von »Windischen« und »Slowenen« wurde vom Kärntner Historiker Martin
Wutte einflussreich in den politischen Diskurs eingebracht. Wutte, M.: Deutsch – Windisch – Slowe-
nisch (1930) ; siehe dazu auch Rumpler, H.: Die nationale Frage (2005), 41.
13 Perchinig, B.: Wir sind Kärntner (1989), 96–98.
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353