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Kirche und Habitus im »Christlichen
Ständestaat«150
und blieb nur auf Drängen Papst Pius’ XI. noch bis Juli 1939 im Amt, bevor er aus
gesundheitlichen Gründen abdankte.117
Aber nicht nur in der Führungsetage, auch an der Basis fand sich die katholische
Kirche im Kärnten dieser Epoche in einer defensiven Ausgangslage. Der Politische
Katholizismus in Kärnten führte im Vergleich zur deutschnationalen und sozialde-
mokratischen Strömung »ein Mauerblümchendasein«118. Die katholische christlich-
soziale Vereinskultur, die dem Politischen Katholizismus als wichtige Stütze galt, er-
reichte in Kärnten »nicht jene Dichte wie in anderen Kron- bzw. Bundesländern«119.
In den christlich-deutschen Turnvereinen versuchte man durch die Verknüpfung des
Kärntner Heimatmythos mit Österreichtreue und Bekenntnis zum deutschen Volks-
tum ein – wenn auch verhältnismäßig leicht gebliebenes – Gegengewicht zu den
deutschnationalen Turnvereinen zu schaffen.
Auch hier wurden deutsches Stammesbewusstsein und arische Abstammung zum
ideologischen Kerninhalt gemacht, jedoch stets in Verbindung mit einem Bekennt-
nis zu Kirche und Vaterland und damit zur Eigenstaatlichkeit Österreichs.120
Nicht unbedeutende Trägerorganisationen des Politischen Katholizismus in
Kärnten waren die Studentenverbindungen, denen bereits im Gymnasialschulalter
etliche spätere Geistliche beitraten. Als bedeutsamste gilt die »Katholisch deutsche
Studentenverbindung Karantania Klagenfurt«, der u. a. auch Philipp Bugelnig oder
Guido Zernatto angehörten, und der Cartellverband, der junge Kärntner Theolo-
giestudenten wie Michael Paulitsch oder Konrad Walcher anzog.121 Die beiden ge-
bürtigen Lavanttaler Paulitsch und Walcher waren als Priesterpolitiker Leitfiguren
der Kärntner Christlichsozialen Partei in der Ersten Republik. So waren es also allen
voran einzelne bedeutende Kleriker, die als Bindeglied zwischen katholischem Ver-
einswesen und Christlichsozialer Partei fungierten.
Als weitere, bedeutende Trägervereine des Politischen Katholizismus in Kärn-
ten müssen der »St.-Josef-Verein« und die »St.-Josef-Bücherbruderschaft« gesehen
werden, denen einzelne einflussreiche Persönlichkeiten verbunden waren. Sämtliche
Vereinsfunktionäre im St.-Josef-Verein waren traditionell Kleriker. Ein bedeuten-
des Vorstandsmitglied in der Zeit des Ständestaates war Philipp Bugelnig. Bugelnig
wurde in Wien, wo er auch CV-Mitglied war, von der Soziologie Othmar Spanns
geprägt und war einer der Vordenker der ständestaatlichen Idee. 1924 wurde er Ge-
neralsekretär der Christlichsozialen Partei in Kärnten. Gemeinsam mit dem Kärnt-
ner Slowenen Rudolf Blüml, der in der Zeit der Ersten Republik engen Kontakt zu
117 Tropper, P. G.: Ordnung der Frömmigkeit (2011), 64 f.
118 Drobesch, W.: Priester (2015), 132.
119 Ebd., 120.
120 Ebd., 121.
121 Ebd., 136.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Titel
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Untertitel
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Autor
- Johannes Thonhauser
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 402
- Schlagwörter
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353